Header Jungfrauengeburt Maria und der Heilige Geist. Das Wunder verstehen.

Das Wunder der Jungfrauengeburt verstehen

Kein Sex. Maria wurde schwanger. Sollte Gott das wirklich getan haben?

Seit mehr als hundert Jahren wird über die Jungfrauengeburt gestritten. Theologen wurden von der Kirche ausgeschlossen. Aber das hat keine Lösung gebracht. Unbeirrt erklärte Papst Benedikt im Jahr 2004 die Jungfrauengeburt zur letzten Bastion des Glaubens.

Damit geht es in dieser Frage ab sofort um Alles. Um die Erlösung, um den Seelenfrieden, um die Auferstehung Jesu und die Autorität der Bibel. Mit den Worten des Papstes: Es geht darum, ob Gott noch Gott ist.

An der Jungfrauengeburt kann man sehen, wie Theologie eskalieren kann. Hier ist es angebracht, sich in die Logik zu flüchten und die großen Fragen zu stellen: Was will Gott uns durch die Jungfrauengeburt zeigen? Kann ich glauben, dass Gott Wunder tut? Warum soll Josef nicht der Vater sein? Was passiert, wenn Josef doch der Vater war?

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit diesem Thema, weit über das Theologiestudium hinaus – und es hat mir alles abverlangt. Ganz viele Themen sind darin verwoben. Aber auf der emotionalen Ebene geht es um Ängste und um Identifikation, um dabei-sein oder draußen-sein, um Macht und Sicherheit. Die Frage nach der Jungfrauengeburt ist auch die Frage danach, wer wir Christen sind – und ob wir Christen sind.

Aber jetzt erst einmal der Reihe nach.

Der Glaube an die Jungfrauengeburt

Es wird erzählt, wie der Engel Gabriel die Geburt von Jesus ankündigt und die Jungfrau Maria daraufhin schwanger wird. Das wird so verstanden, dass der Heilige Geist direkt in Maria ihr Kind Jesus erschaffen hat – ohne dass es einen menschlichen Vater gibt. Das wird Jungfrauengeburt (Parthenogenese) genannt.

Kritik an der Jungfrauengeburt

Dieser Glaubenssatz wurde in den letzten zweihundert Jahren immer wieder kritisiert und hinterfragt. Das löste dann jeweils große Empörung aus. Es gilt auch heute noch, dass man sich über die Jungfrauengeburt sehr emotional streiten kann. Das ist verwunderlich, weil es nicht so viel mit unserem alltäglichen Leben zu tun hat. Warum das so ist, wird hier überlegt.

 

Maria sitzt auf einem Bett und im Raum ist eine Lichterscheinung.
Die Verkündigung von Henry Ossawa Tanner, 1989

Kann Gott Wunder?

Hauptgrund für die frühere Kritik war eine grundsätzliche Wunderskepsis. In der katholischen Kirche wird demonstrativ an der Jungfrauengeburt festgehalten, da dies die letzte Bastion des Glaubens sei. Ob Gott Wunder kann, wird hier weiter diskutiert.

Die Jungfrauengeburt bei Tieren

Schon die alten Kirchenväter haben damit argumentiert, dass die Jungfrauengeburt biologisch möglich ist. Denn bei Tieren gibt es tatsächlich eine Jungfrauengeburt. So wird mit Beobachtungen an Truthühnern, die tatsächlich diese Fähigkeit der Selbstbefruchtung haben, argumentiert, dass dies Gott dann auch bei Maria bewirken kann. Die Jungfrauengeburt ist biologisch auch bei anderen Tieren möglich. Wie die Jungfrauengeburt bei Tieren funktioniert wird hier beschrieben.

 Die Jungfrauengeburt in der Medizin

Es gibt Berichte von Jungfrauen, die ohne Sex schwanger wurden. Gerade in religiösem Umfeld häuft sich das. Wie beurteilt das die Medizin? Was bedeutet Jungfräulichkeit anatomisch? Aber letztendlich geht es darum, dass Jesus ohne leiblichen Vater entstanden ist. Daher die Frage: Ist es medizinische möglich, ohne Vater schwanger zu werden? Das wird in diesem Artikel diskutiert.

Die Jungfrauengeburt in anderen Religionen

Auch in anderen Religionen gibt es das Phänomen der Jungfrauengeburt. Schon bei Buddah findet sich das Motiv, dass er zur Seite in den Körper seiner Mutter eintritt und auch bei der Geburt wieder zur rechten Seite heraustritt. Schmerzen zu verursachen wäre einem Buddah nicht angemessen.

Alexander der Große konnte seinen Herrschaftsanspruch mit einer göttlichen Zeugung festigen. Seine Mutter musste mit Zeus in Gestalt einer Schlange das Bett teilen. Als ihr Ehemann heimlich durchs Schüsselloch spickte, wurde er zur Strafe für seine Neugierde auf einem Auge blind.

Es ist die Frage, ob sich solche Geschichten auf den Glaubensinhalt der Christen auswirken. Auf jeden Fall kann man bei den frühen Lesern in der griechischen Kultur unterstellen, dass solche Motive auch auf Jesus übertragen wurden.

 

Die Jungfrauengeburt in Ägypten

Auch in Ägypten gab es die Jungfrauengeburt als Legitimation des Herrschaftsanspruches. Dabei erfüllte der Geist des Re-Amun den Pharao, der sich dann der jungfräulichen Königin näherte. Dadurch war der Sohn des Pharaos, der zukünftige Herrscher, auch gleichzeitig Sohn der Götter. Die Jungfräulichkeit der Königin ist in dieser Zeit nicht mehr anatomisch gemeint, sondern ein kultischer Ausdruck für Reinheit und Würde.

 

Ein Übersetzungsfehler in Jes 7,14?

Bei der Jungfrauengeburt im Christentum wurde die letzten Jahre immer wieder unterstellt, dass es auf einen Übersetzungsfehler zurückgeht. Tatsächlich ist im älteren, hebräischen Bibeltext in Jes 7,14 von einer jungen Frau die Rede. Bei der Übersetzung ins griechische wandelte sich das in „siehe, eine Jungfrau wird schwanger werden“. Daher muss untersucht werden, was der griechische Übersetzer damit ausdrücken wollte. Man sieht, es war auf jeden Fall kein Fehler. Denn der gesamte Text wird verändert und bekommt eine messianische Bedeutung. Für eine Erklärung muss man tiefer in die jüdische Denkweise eintauchen.

Der Messias soll von Gott gezeugt werden

Zur Zeit der Jesajaübersetzung gab es eine ausgeprägte messianische Erwartung. Der Bibeltext in Micha 5,1-3 kann dabei als Schlüssel für das messianische Verständnis angesehen werden. Denn die Schriftauslegung funktionierte damals so, dass ein Text durch Verbindung mit anderen Texten besser verstanden wird. Die Schlüsselbegriffe sind dazu: Gebärende – gebären – von Gott gezeugt – Sohn – Sohn von Gott (Jes 7,14, Jes 9,5-7, 2Sam 7,12-16; Ps 110,3.4; Ps 2,7; Ps 89; Jes 11).

Diese Linie belegt eindrücklich, dass der Messias aus Gott gezeugt werden sollte. Allerdings ist das noch nicht biologisch gemeint. Diese Vorausschau ist noch immer im Bild gehalten, dass Gott und der Messias ganz eng verbunden sind. Die Jungfräulichkeit an sich spielt -außer in Jes 7,14 LXX – in der Messiaserwartung noch keine erkennbare Rolle.

Die Jungfrau Maria im Matthäusevangelium

Im Matthäusevangelium wird Maria ausdrücklich mehrmals „Jungfrau“ genannt. Damit wurde im Judentum viel über ihren Status und ihren Körper ausgesagt – viel mehr als uns heute bewusst ist. Dass „eine Jungfrau schwanger wird“, ist im Judentum nichts Unübliches, sondern ein Ausdruck, der ganz präzise aufzeigt, dass die Frau schwanger wurde, bevor sie drei Monatsblutungen hatte.

 

War Maria aufgeklärt?

Für die Auslegung der Bibelgeschichte muss noch berücksichtigt werden, wie man sich damals erklärte, wie ein Kind entsteht. Vorweg: Die Männer und Frauen waren durchaus aufgeklärt. Diese antike Embryologie wird im Buch ausführlich dargestellt. Ganz spannend ist dabei, dass ein Kind immer aus Lebenskraft entsteht – aus Pneuma, das übersetzt wird mit „Geist“. Man muss sich in der Auslegung des Bibeltextes also die Frage stellen, ob es bedeuten soll „Jesus wurde aus heiligem Geist gezeugt“ oder „Jesus wurde aus Geist gezeugt und war heilig“. Das wird im Buch ausführlicher dargestellt.

Eine Jungfrauengeburt bei Sarah und Abraham

Darüber hinaus gibt es im Alten Testament eine sehr interessante Traditionslinie. Auch bei Sarah und Abraham wurde ein Heilsbringer verheißen. Diese Geburtsgeschichte wurde später so überliefert, dass Abraham als Erzeuger teilweise ganz stark heruntergespielt wurde – so weit, dass er überhaupt nicht im gleichen Raum war, als Sarah schwanger wurde. Und auch Sarah wurde Jungfrau genannt. Damit sollte das Heilswirken aus Gott stärker zur Geltung kommen. Im Christentum geht heute aber niemand davon aus, dass hier eine Jungfrauengeburt vorliegt. Obwohl man den gleichen Bibeltext in seiner heiligen Schrift hat.

 

Die Erzählweise der Evangelisten

Der Bibeltext zur Geburt wurde also so geschrieben, dass man sich eine natürliche Zeugung gedacht hat, denn später wird Abraham schon auch als Vater genannt. Aber um Gottes Wirken zu betonen, hat man eine spezielle Erzählform gewählt, in der Gott das Heil schafft. Spannender Weise kann man das Lukasevangelium auch so lesen, dass es eine natürliche Geburt erzählt. Auch bei Matthäus ist das möglich, dazu muss man allerdings den Urtext betrachten.

 

Gott schenkt neues Leben

Durch die Bibel hinweg findet sich immer wieder Fruchtbarkeitswunder, durch die Gott Grenzen sprengt und unmögliches möglich macht. Darüber hinaus wird in den Fruchtbarkeitswundern auch schon eine Berufung auf das Kind gelegt, die es später erfüllt. Dadurch wird offenbart, dass Gott das Heil gewirkt hat. Das gilt es auch bei der Geburtsgeschichte von Jesus zu beachten.

 

In der Jungfrauengeburt schenkt Gott das Heil

Wie man das auch betrachtet, es bleibt dabei: In Jesus wirkt Gott sein Heil. In Jesus wird offenbart, wie ein mit Gott gefülltes Leben aussieht. Es wird sichtbar, wie Gottes Kraft den Alltag durchbricht und sogar den Tod überwindet. Im Gegensatz zu Buddha ist Jesus sehr emotional. In all seinen Gefühlen ist er tief mit Gott verbunden – so tief, dass er Sohn Gottes genannt wird.

 

Was bedeutet das für uns heute?

Auch wenn die Jungfrauengeburt ein alter, verstaubter Glaubenssatz wirken kann, hat er doch Auswirkungen auf uns heute. Denn es entscheidet sich maßgeblich daran, wie wir von Jesus denken. War er ein Mensch, so wie wir – oder war er schon in seinem Ursprung unterschiedlich? Dadurch wirkt es sich auf unser Gottesbild aus: Wie handelt Gott an uns Menschen? Ist unser Körper sündig, und muss grundsätzlich neu erschaffen werden, oder kann er transformiert und geheiligt werden? Verbindet sich das Göttliche mit dem Menschlichen oder macht Gott sein eigenes Ding?

Es geht auch darum, nachzuvollziehen was wir glauben und warum wir es glauben. Was lernen wir an der Jungfrauengeburt über Gottes Handeln? Was drückt das über Gottes Beziehung zu uns aus? Und was lernen wir aus den 2000 Jahren, in denen das Christentum je nach Epoche unterschiedliche Schwerpunkte setzte?

 

 Das Buch zur Jungfrauengeburt

Ich beschäftige mich jetzt schon lange mit dem Thema. Meine Abschlussarbeit zum Master of Theology habe ich erfolgreich dazu geschrieben und darüber hinaus die letzten Jahre weiter geforscht. Daraus ist ein Buch entstanden, das hier verfügbar ist. Darin sind hunderte Quellen zusammengetragen und es wird im Detail aufgezeigt, was hier zusammengefasst wurde.  Die Sichtweise aus der evangelischen, katholischen und freikirchlichen Glaubensrichtung wird möglichst sachlich und wertschätzend dargestellt. Was meine persönliche Motivation war, dieses Buch zu schreiben, ist hier hinterlegt. Letztlich hoffe ich aber, dass es auch für Deine Reise mit Gott hilfreich ist.

Was habe ich an diesem Thema gelernt?

Manchmal frage ich mich selbst, warum ich mich mit diesem abgefahrenen Thema so intensiv beschäftigt habe. Aber ich habe daran sehr viel gelernt, das über die Jungfrauengeburt hinausgeht. Ganz grundsätzliche Fragen haben sich mir gestellt. Ich habe daran reflektieren dürfen, was Religion für eine existentielle Dynamik annehmen kann.