Die Bibel als Gottes Wort

Die Bibel gilt als Gottes Wort und Heilige Schrift. Aber was bedeutet das? Und wie kann man die Jungfrauengeburt in der Bibel untersuchen?

Hat Gott die Bibel verfasst?

Man kann zur Autorenschaft Gottes folgende Beobachtung machen:

  • Schlussfolgerungen von Personen gelten als Äußerungen von Gott (Mt 19,4-5; Mk 12,36; 2Pe 1,20.21; 2Thess 2,13; 1Kön 16,34).
  • Zitate im Neuen Testament aus „der Schrift“ werden als Gottes Reden angesehen, unabhängig vom jeweiligen Autor (z.B. 1.Mose in Rö 9,17; Gal 3,8).
  • Worte Jesu werden mit „der Schrift“ gleichgestellt (Joh 2,22).
  • Worte aus dem AT gelten als Worte vom Heiligen Geist (Hebr 3,7; 10,15).

Also wer gilt als Autor? Menschen, Gott, die Schrift, Mose, Jesus oder der Heilige Geist? Als Antwort muss alles gelten. Dies lässt sich logisch nur auflösen, wenn die Autorität einer Aussage als „Wort Gottes“ nicht kausal in ihrer Autorenschaft liegt („Wer hat es geschrieben?“), sondern final in der Qualität der Aussage als inhaltlich mit Gott übereinstimmend, von Gott durchdrungen und auf ihn hinweisend begründet wird („Was sagt es aus?“). Wenn eine Aussage inhaltlich in ihrer Qualität mit Gott übereinstimmt, ist sie nicht von Gott zu trennen und man kann sie „Gottes Wort“ nennen.

Zur Erklärung soll noch ein anderes Beispiel dienen. In der Bibel kann Gott auch als Liebe, Weisheit oder Wahrheit bezeichnet werden, auch wenn er noch viel mehr Eigenschaften hat. So wie diese Eigenschaften können ihm auch einzelne wahre Aussagen zugeordnet werden.

Von dieser Beobachtung ausgehend müssen wir etwas nicht glauben, „weil es in der Bibel steht“. Sondern weil wir es tief in uns als Wort Gottes erkennen. Die Autorität einer Lehre kommt demnach aus ihrer Qualität und nicht aus ihrem kategorischen Platz in der Bibel.

Die Autorität einer Lehre kommt aus ihrer Qualität

Paulus selbst führt dieses Argument an:

„Und darum danken wir auch Gott ohne Unterlass dafür, dass ihr das Wort der göttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist, als Gottes Wort, das in euch wirkt, die ihr glaubt.“

(1Thess 2,13)

Hier wurde Menschenwort in seiner Qualität als das erkannt, was es wirklich ist: als Wort Gottes. Weder aufgrund der Autorenschaft, noch in der Art der Überlieferung ist ein Inhalt als Wort Gottes zu werten, sondern in der persönlichen Erkenntnis seiner Qualität aus dem Heiligen Geist heraus. Erst in der persönlichen Erkenntnis greift der Inhalt, auch wenn er davor schon ebenso geschrieben wurde – aber erst in der persönlichen Annahme wird die Botschaft als Wort Gottes wahrgenommen und im Menschen wirksam.

Das „Wort Gottes“ ist etwas Lebendiges

Ein Wort Gottes ist kein Buchstabe, sondern steht immer in einer Beziehung. Es ist kein toter Buchstabe, sondern Geist, der lebendig macht. Wenn wir Christen vom „Wort Gottes“ sprechen, dann meinen wir damit nicht die Buchstaben und den wörtlichen Inhalt, sondern die innere Qaulität, die uns anrührt und durch Gottes Wirken unser Denken verändert.

Die Orientierung kommt aus Gott selbst

Das gleiche Argument führt Paulus in Gal 1,6-8 an:

„Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem anderen Evangelium, obwohl es doch kein andres gibt; nur dass einige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht.“

Galater 1,6-8

Dies bedeutet, dass die Autorenschaft allein keinem Text Autorität verleiht, selbst wenn Paulus etwas verkündigt oder es in der Bibel steht. Verbindlichkeit und Orientierung kommt erst aus der Übereinstimmung mit der guten Botschaft, der Übereinstimmung mit dem Heilshandeln Gottes und letztlich mit Gott selbst.[1]

Wie gehen wir mit der Bibel um?

Was bedeutet diese Beobachtung für unsere Fragestellung der Autorität der Bibel? Es weist darauf hin, dass die uns überlieferten Texte der Bibel in ihrer inhaltlichen Qualität geprüft werden dürfen – auch wenn sie kategorisch in der Bibel stehen.

Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben?

Die Aufgabe von Theologie ist es nicht, Glaubensinhalte aufzuheben, sondern diese systematisch und plausibel dazulegen und damit den Blick auf Gott zu heben. Der Theologe Immanuel Kant formuliert dieses Verhältnis so: „Ich musste das Wissen aufheben, um zum Glauben zu kommen.“[2] Wie in dem Zitat ausgedrückt wird, hat Kant den Glauben aber nicht aufgehoben, sondern in seiner Qualität neu bestimmt – auch wenn es erst so scheint als ginge etwas verloren. Das fälschlich sicher geglaubte Wissen über Gott wird aber unsicherer und durch glaubensvolle Beziehung ersetzt. Denn die lebendige Qualität liegt in Vertrauen und Beziehung zu Gott, nicht in gesicherter Erkenntnis.

Was bedeutet das für die Jungfrauengeburt?

Ob die Jungfrauengeburt letztendlich stattfand, ist eine Glaubensentscheidung – handelt Gott so oder tut er es nicht – und darüber kann keine gesicherte Aussage getroffen werden. Aber sie muss in ihrer Qualität hinterfragt werden: inwiefern weist sie auf Gott hin? Was trägt sie zur Erkenntnis Gottes bei?

Fragestellungen zur Jungfrauengeburt an die Bibel

Im Umgang mit der Bibel stellt sich die Frage, wie in der Bibel die Jungfrauengeburt bezeugt wird. Es fällt auf, dass es zwei Geburtsgeschichten in Lukas und Matthäusevangelium gibt, die untersucht werden müssen. Dann wird an anderen Stellen in diesen Evangelien Josef als Vater von Jesus bezeichnet. Auch im Markusevangelium gibt es Gerüchte um eine uneheliche Geburt, aber Maria und Josef sind die Eltern von Jesus. Und Jesus selbst bezieht auf diese Vorwürfe Stellung.

Bei Paulus ist es auffallend, dass er ganz ohne die Jungfrauengeburt auskommt. Dabei kennt er die jüdische Tradition der Zeugung aus Gott, die er auf Isaak bezieht. Gerne wird unterstellt, dass seine Theologie ganz auf der Jungfrauengeburt aufbauen würde ohne dass er sie erwähnt. Je näher man hinschaut, desto weniger deutlich ist das.

Auch die Prophetie in Jes 7,14 ist sehr interessant, da im hebräischen Original nicht von einer Jungfrau, sondern von einer jungen Frau die Rede ist. Wodurch kam diese maßgebliche Übersetzung zustande? Und ist das legitim?

Und darüber hinaus finden sich in der jüdischen Tradition noch eine Jungfrauengeburt bei Sara und Abraham. Hier müssen wir auch mal schauen, wie sich das aus der Bibel abgeleitet hat und wie das verstanden wurde.

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[1] Es ist hierbei hilfreich, sein Gottesbild zu reflektieren. „Gottes Wort“ stelle ich mir intuitiv so vor, dass es von Gottes Thron ausgeht, also von Gott dem Vater. Gott ist aber nicht nur die konzentrierte Energie auf dem Thron, sondern auch die Lebenskraft auf der ganzen Welt verteilt. Das Erste nennen wir Gott den Vater, das Zweite nennen wir Gott den Heiligen Geist. Aus dieser Lebenskraft, auf alles Lebendige verteilt und alles durchdringend, kann ebenso Wort Gottes hervorgehen. Das Wort Gottes kann uns daher in verschiedensten Kontexten begegnen. Auch in der Bibel.

[2] Kant, Immanuel: B XXX. Zitiert nach Walter Sparn, Leiden – Erfahrung und Denken: Materialien zum Theodizeeproblem, Band 67 von Theologische Bücherei Studienbücher (München: Kaiser, 1980), 48.

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