Die Jungfrauengeburt in der Medizin

Sind jungfräuliche Schwangerschaften medizinisch möglich? Es gibt auf jeden Fall auch heute Frauen, die das behaupten.

In Bezug auf den Menschen hat eine Studie Irritation ausgelöst, die im angesehen British Medical Journal (https://www.bmj.com/content/347/bmj.f7102) erschienen ist, bei der 45 Frauen eine Jungfrauenschwangerschaft angaben – das war immerhin jede 200. Frau der Studie, das sind 0,5 Prozent. Die durchführenden Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass hier ein Irrtum vorliegt. Eventuell wurde der Begriff „Sexualverkehr“ falsch verstanden – immerhin kamen auffällig viele der Jungfrauen aus einem Umfeld, in dem aus religiösen Gründen wenig über Sexualität und Schwangerschaft gesprochen wird. Es war aber nicht so, dass die Frauen nicht wussten, wer der Vater sein könnte.

Kann eine Jungfrau schwanger werden?

Natürlich ist es medizinisch möglich, dass eine Frau schwanger wird und bei der Empfängnis das Jungfernhäutchen nicht verletzt wird. Solche Fälle sind schon im jüdischen Talmud diskutiert. Spätestens mit der Geburt von Louise im Jahr 1978 wurde dies durch die künstliche Befruchtung offensichtlich. Heute werden über 10 000 Kinder pro Jahr durch künstliche Befruchtung geboren. Eine Empfängnis ohne Ruptur des Jungfernhäutchens ist als durchaus möglich.

Die theologische Aussage der „Jungfrauengeburt“ ist aber, dass in Maria ein Kind erschaffen wurde, ohne dass es einen menschlichen Vater gab. Die Frage an die Medizin ist also, ob es auch möglich ist, dass eine Frau ohne männlichen Samen schwanger wird. Dokumentiert wurden solche Fälle noch nie. Aber ist es theoretisch möglich?

Im vorherigen Artikel „Ist eine Jungfrauengeburt biologisch möglich?“ wurde die beschrieben, dass es bei Tieren tatsächlich eine Vermehrung ohne einen Vater gibt. Dies nennt man dann eine Parenthogenese, eine Jungfrauengeburt. Dabei werden die Eizellen hormonell angeregt, sich zu teilen und zu einem Fötus heranzuwachsen. Auch beim Menschen kann es gelegentlich dazu kommen, dass sich eine unbefruchtete Eizelle zu teilen beginnt. Diesen hormonellen Beginn einer Schwangerschaft übersteht sie aber nicht lange.

Kann eine Frau ohne Mann schwanger werden?

Dazu betrachten wir die aktuellen Forschungen in der Genetik. Mittlerweile ist es durch medizinische Eingriffe theoretisch möglich, dass auch der zweite Satz Erbgut ebenfalls von der Mutter kommt. Am Schaf „Dolly“ wurde 1996 bewiesen, dass aus einer Eizelle und adulten Zellkernen aus Euterzellen – also keinem Spermium – neues Leben entstehen kann. Die Maus Kaguya wurde 2004 geboren und hatte zwei weibliche Mäuse als Eltern. Dabei wurde ein mütterliches Erbgut so verändert, dass es den väterlichen Anteil übernehmen konnte. 2016 wurde an Mäusen gezeigt, dass man Hautzellen so züchten kann, dass sie zu reifen Eizellen umgeformt werden. Diese konnten dann befruchtet und Leihmütter-Mäusen eingesetzt werden. Dies ist theoretisch auch beim Menschen möglich und macht den Forschern Hoffnung, dass die Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung steigen – auch ganz unabhängig von den Eizellen oder Spermien.

Ist eine Parthenogenese beim Menschen möglich?

Rein medizinisch gesehen braucht man also nicht unbedingt das Erbgut von Mann und Frau, aber es reduziert die Fehleranfälligkeit des Genoms, indem Lücken beim Zusammensetzen ausgeglichen werden. Dass manche Eigenschaften vom väterlichen Genom übernommen werden, und andere Merkmale vom mütterlichen Genom stammen, nennt man „Imprinting“. Dieser Effekt macht es beim Säugetier notwendig, dass es eine väterliche und eine müttlerliche Erbinformation gibt. Bei den oben angeführten Mäuse-Experimenten wurde das Imprinting ausgehebelt, da die erforderlichen Gene H19 und Igf2 bei Mäusen praktischer Weise auf dem gleichen Chromosom liegen – und auch dann wurde nur ein Fötus von hunderten Versuchen ausgebildet. Ein „zufälliges“ Auftreten einer Parthenogenese beim Menschen ist damit extrem unwahrscheinlich, wenn nicht in der Praxis unmöglich. Aber bei den Glaubensaussagen geht es ja auch nicht um Zufälle…

Die Nachkommen einer Parthenogenese sind im Tierreich immer weiblich, da dem Genom das männliche Y-Chromosom fehlt. Medizinisch gesehen hätte Maria bei einer Selbstbefruchtung eher ein Mädchen bekommen müssen.

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