Jes 7,14 ist falsch übersetzt. Aber es war Absicht!

In Jes 7,14 steht im hebräischen: „Siehe eine junge Frau wird schwanger werden.“ In der griechischen Bibel steht dafür „Jungfrau“. Wie kam es dazu?

Ich habe zu dem Thema ein Buch geschrieben und diese Frage gründlich analysiert. Mich hat gestört, dass Theologen hier so anders denken, als der ganz normale Gläubige. Daher habe ich noch einan anderen Artikel in einfacher Sprache dazu. Das ist jetzt die anspruchsvolle Version – dafür aber auch mit allen Fakten und Infos, die ich recherchiert habe.

1   Jes 7,14: „Siehe, eine junge Frau wird schwanger werden“

Jesaja 7,14 zu verstehen, untersuchen wir zuerst, woraus Matthäus hier eigentlich zitiert und was der alttestamentliche Text für sich betrachtet ausgesagt hat. Dann stellt sich die Frage, wie dieser Text messianisch verstanden werden konnte. Mit dem Zitat von Matthäus wechseln wir die Sprache vom alttestamentlichen Hebräisch zum neutestamentlichen Griechisch, in dem uns das Matthäusevangelium hauptsächlich vorliegt. Dabei wird Jes 7,14 zu „Siehe eine Jungfrau wird schwanger werden“ Bei dieser Übersetzung ins Griechische wandelt sich die junge Frau zur Jungfrau. Margot Käßmann hat in ihrer Zeit als EKD-Ratspräsidentin erklärt, diese Übersetzung wäre ein Fehler gewesen und dadurch sei der Mythos der Jungfrauengeburt entstanden. Das gilt es zu untersuchen. Es stellt sich weiter die Frage, ob so eine Übersetzung nicht richtig oder falsch, sondern legitim ist. Noch viel wichtiger ist, warum im griechischen Alten Testament (genannt „LXX“ gesprochen „Septuaginta“) so übersetzt wurde, also was damit im jüdischen Kontext ausgesagt werden sollte. Und dann müssen wir uns also fragen, warum Matthäus dieser griechischen Variante folgte und nicht zurück zum hebräischen Urtext geht, der ihm sprachlich näher gelegen hat.

Jesaja 7,14 – was bedeutete diese Prophetie bei Jesaja?

In Mt 1,23 erscheint dem Josef der Engel Gabriel im Traum und verkündet ihm, dass seine Frau Maria den Messias gebären wird. Er schließt seine Ankündigung mit dem berühmt gewordenen Zitat aus Jes 7,14:

„`Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben´“

Dabei verweist er den bibelkundigen Josef auf ein Strafgericht gegen Israel in Jesaja 7,14, bei der als Zeichen von Gott eine junge Frau schwanger wird und einen Sohn mit dem Namen „Gott mit uns“ gebiert. Dieses Zeichen erfülle sich nun bei Jesus und soll ihn als sehnlich erwarteten Messias erweisen.[1] Um das zu verstehen, müssen wir in Jesaja 7,14 eintauchen. Da wir heute vermutlich nicht wie Josef das alles im Kopf haben, wird die Geschichte hier nochmal erzählt:

1 Als Ahas, der Sohn Jotams und Enkel Usijas, König von Juda war, versuchten König Rezin von Syrien und König Pekach von Israel, der Sohn Remaljas, Jerusalem zu erobern. Doch sie konnten die Stadt nicht einnehmen.

2 Dem Königshaus wurde gemeldet: »Syrische Truppen sind in Israel angekommen.« Der judäische König und das Volk zitterten vor Angst wie Bäume im Sturm.

3 Da gab der HERR dem Propheten Jesaja den Auftrag: »Geh mit deinem Sohn Schear-Jaschub (›Ein Rest kehrt um‹) König Ahas entgegen. Du wirst ihn am Ende der Wasserleitung antreffen, die vom oberen Teich herkommt, an der Straße zu dem Feld, auf dem die Tuchmacher ihre Stoffe bleichen.

4 Sag ihm, er soll nichts Unüberlegtes tun, sondern Ruhe bewahren. Ermutige ihn mit dieser Botschaft: Hab keine Angst und lass dich nicht einschüchtern! Rezin und der Sohn von Remalja stürmen zwar wutschnaubend mit ihren Heeren gegen dich heran, doch sie sind nichts als verkohlte, qualmende Holzstummel.

5 Der syrische und der israelitische König haben sich einen bösen Plan ausgedacht.

6 Die beiden sagen: ›Wir wollen nach Juda hinaufziehen. Erst schüchtern wir die Leute ein, dann erobern wir Jerusalem, und zuletzt machen wir den Sohn von Tabeal zu ihrem neuen König.‹

7 Aber ich, der HERR, sage: Daraus wird nichts! Es wird ihnen nicht gelingen!

8 Damaskus bleibt auch weiterhin nur die Hauptstadt von Syrien, Rezin muss seine Eroberungspläne aufgeben. Und das Königreich Israel wird nur noch 65 Jahre bestehen; dann wird es das Volk nicht mehr geben.

9 Bis dahin bleibt Samaria Hauptstadt, und der Sohn von Remalja muss sich mit der Herrschaft über Israel begnügen. Vertraut jetzt mir, dem Herrn! Wenn ihr nicht fest im Glauben steht, dann könnt ihr überhaupt nicht bestehen!«

10 Kurz darauf ließ der HERR wieder eine Botschaft an König Ahas überbringen:

11 »Fordere von mir, dem HERRN, deinem Gott, ein Zeichen; ich will dir mein Versprechen bestätigen. Verlang, was du willst: ein Zeichen hoch oben am Himmel oder aus der Tiefe der Totenwelt.«

12 Doch Ahas wehrte ab: »Nein, nein, darauf lasse ich mich nicht ein! Ich will den HERRN nicht auf die Probe stellen.«

13 Aber Jesaja erwiderte: »Hört, ihr vom Königshaus! Reicht es euch nicht, dass ihr den Menschen zur Last fallt? Müsst ihr auch noch meinem Gott zur Last fallen?

14 Jetzt gibt euch der Herr von sich aus ein Zeichen: Die junge Frau[2] wird schwanger werden und einen Sohn bekommen. Immanuel (›Gott ist mit uns‹) wird sie ihn nennen.

15 Nur von Butter und Honig ernährt er sich, bis er alt genug ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.

16 Doch ehe der Junge dieses Alter erreicht, werden die Länder der beiden Könige, vor denen du so schreckliche Angst hast, verwüstet sein.«

17 »Aber auch für dich, deine Familie und dein Volk wird der HERR schlimme Zeiten anbrechen lassen. Sie werden schrecklicher sein als alles, was geschehen ist, seit sich Israel von Juda trennte. Das Unglück kommt in Gestalt des Königs von Assyrien.

18 Der HERR wird die Feinde herbeipfeifen. Wie ein Fliegenschwarm kommen sie von den weit entfernten Nilarmen, aus Assyrien ziehen sie heran und bedecken das Land wie ein riesiges Bienenvolk.

19 Überall lassen sie sich nieder: in steilen Schluchten und engen Felsspalten, in den Dornenhecken und an jeder Wasserstelle.

20 Dann wird der Herr den assyrischen König von der anderen Seite des Euphrat ins Land holen und als ›Rasiermesser‹ benutzen. Er wird euch die Haare am Kopf und am ganzen Körper abrasieren, selbst den Bart schneidet er ab, so dass ihr in Schimpf und Schande dasteht.

21 In dieser Zeit wird jede Familie nur eine junge Kuh und zwei Ziegen besitzen.

22 Die aber werden so viel Milch geben, dass man Butter daraus machen kann. Wer überlebt hat und im Land bleiben konnte, wird sich von Butter und Honig ernähren [müssen].

23 Die großen Weinberge mit ihren tausend Weinstöcken, jeder einzelne ein Silberstück wert, sind dann mit Dornengestrüpp und Unkraut überwuchert.

24 So verwildert das Land. Man geht dort nur noch hin, um mit Pfeil und Bogen zu jagen.

25 Die fruchtbaren Berghänge, die man heute mit der Hacke bearbeitet, verwandeln sich in ein unwegsames Dickicht aus Dornengestrüpp und Unkraut. Jeder meidet diese Gegend. Nur Rinder, Schafe und Ziegen treibt man zum Weiden dorthin.«[3]

Wichtig ist für uns jetzt erstmal, dass wir den ganzen Text wahrnehmen. Von der politischen Situation ist Israel in zwei Reiche aufgeteilt, wobei sich Ephraim als Nordreich aus Angst mit der syrischen Großmacht verbündet hat und jetzt gemeinsam gegen Juda mit seinem König Ahas drängt, um es ebenfalls unter den syrischen Thron zu bringen. Im Kontext von Jes 7,14 verlässt sich Ahas in seiner militärischen Bedrohungslage nicht auf die angebotene Hilfe Gottes, sondern wendet sich an das andere Großreich, an den ägyptischen Tilgatpileser, womit er sich von Gott abwendet. Das erkennt man im Text in Vers 13: jetzt ist Gott nicht mehr der Gott Ahas, sondern nur noch Gott des Propheten („meinen Gott“). Ahas möchte kein Zeichen mehr von Gott, er möchte gar nichts mehr von Gott wissen, weder ein Zeichen vom Himmel noch von den Toten. Der Himmel ist dabei Gottes Wirkbereich und steht für das Lebendige dem Toten gegenüber. Dann verkündet der Prophet selbst ein Zeichen von Gott. In diesem Zeichen findet sich einerseits neues Leben, das aufwächst, und während es aufwächst breitet sich der Tod aus. Im Vers 8 lasen wir, dass das Nordreich nur noch 65 Jahre bestehen wird und dann zertrümmert wird, so dass es kein Volk mehr ist. Und auch auf Ahas kommen schreckliche Zeiten zu (V17). Trotz der Erwähnung von „Buttermilch und Honig“ darf man sich nicht romantisch blenden lassen, dass es in eine schöne Zukunft gehe, sondern „Milch und Honig“ dient hier als ein Bild der Zerstörung, da dies in diesem Kontext ein Rückschritt zu nomadischer Nahrung und Lebensweise ist, wenn das Kulturland zerstört wurde (V16).[4] Es wird einen Rest geben, der in einfachster Lebensform überlebt, aber alles Kulturgut ist zerstört. Das alles geschieht noch bevor das geborene Kind zwischen Gut und Böse zu unterscheiden gelernt hat, also über 12 Jahre alt ist. Der Name Immanuel ist dann nicht nur ein freudiges „Gott ist mit uns“, sondern auch ein bedrohtes „Gott-steht-uns-bei“ und wäre daher als Übersetzung so treffender. Im Gesamtkontext steht also vielmehr eine Zerstörung, die als Gericht von Gott kommt. Die Geburt des Kindes dient als Hoffnungszeichen und als Zeitangabe. Da die Geburt durch eine junge Frau allgemein etwas gewöhnliches ist, muss das Zeichen vielmehr die Verwüstung sein, in die das Kind hineinkommt.[5]

In diesem Kapitel wird erstmal nur die Jesajastelle betrachtet, um später erst zur Einbindung im Matthäusevangelium zu kommen – auch wenn die Gedanken schon zum Messias vorauseilen wollen. Denn nur für sich gesehen lässt sich Jes 7,14 schwerlich als Prophetie auf den Messias deuten, da die messianischen Attribute fehlen.[6] Es wird Gericht statt Heil ankündigt. Dazu kommt, dass es ein noch zu Lebzeiten des Königs Ahas eintreffendes Ereignis sein muss. Die Erfüllung des Zeichens wird nicht mehr direkt berichtet, man sah zwar die Zerstörung der Reiche und des Ahas, aber von einer schwangeren Frau und einem aufwachsenden Kind wurde nichts weiter berichtet. Darüber wurde viel gerätselt, wer dieses Kind sein könnte. Im Judentum wurde diese Schriftstelle auf Hiskia gedeutet,[7] oder er könnte ein Sohn des Propheten gewesen sein, oder ein Sohn des König Achajas,[8] wobei alle diese Deutungen etwas unbefriedigend sind. Rudolf Kilian schließt seine Untersuchung damit, „dass kein einziger Interpretationsversuch wirklich zu überzeugen vermag. Um Mutter und Kind bleibt ein Geheimnis, zumindest für den heutigen Leser, aber ziemlich sicher auch für den damaligen Hörer, vielleicht sogar für den Propheten selbst.“[9] Meines Erachtens gab es für den damaligen Hörer gar kein Rätsel um eine besondere Persönlichkeit, sondern das Kind war vermutlich eher als Zeitangabe gemeint. Denn die Unterscheidung von Gut und Böse ist eine Reifeerfahrung des heranwachsenden Menschen und kein exklusives Merkmal. Dementsprechend wurde diese Prophetie in der vorexilischen Zeit nicht messianisch verstanden.[10]

Wie konnte der Engel im Matthäusevangelium diese Prophetie für den Messias anführen? An dieser Stelle wird heute dem Autor des Matthäusevangeliums vorgeworfen, dass die christliche Deutung von Jes 7,14 auf den Messias unhaltbar ist.[11] Legt Matthäus hier willkürlich die Bibel aus, so wie es ihm gerade passt? Haben wir die Jungfrauengeburt lediglich einem fragwürdigen Geistesblitz zu verdanken?

Wie sich Jesaja 7,14 in der Septuaginta zur Heilserzählung wandelt

In unseren Bibeln orientiert sich unsere Jesajaübersetzung ins Deutsche am hebräischen Grundtext. Der Autor vom Matthäusevangelium orientierte sich aber am griechischen Text, der Septuaginta. Dieser Text weist erhebliche Abweichungen zum hebräischen Original aus. Das liegt auch daran, dass er so übersetzt wurde, wie der Text in der damaligen Zeit verstanden und interpretiert wurde. So wie die LXX uns heute vorliegt, ist der Jesajatext das Werk eines einzelnen Übersetzers im zweiten Jhdt. vor Christus.[12] Diesen Text müssen wir untersuchen um zu verstehen, weshalb er für die Geburtsankündigung von Jesus so grundlegend war.

Der Text wird hier in der Septuaginta Fassung wiedergegeben. Die Änderungen sind kursiv hervorgehoben.[13]

4 Und du [Jesaja] sollst ihm [dem König Achaz von Juda] sagen: Gib acht, dass du Ruhe bewahrst, und fürchte dich nicht, und deine Seele soll nicht schwach werden vor diesen beiden rauchenden Holzscheiten [Aram und Israel]; Denn wenn mein grimmiger Zorn sich verwirklicht hat, werde ich wieder heilend tätig sein.

[…]

10 Und der Herr fuhr fort, mit Achaz zu sprechen, und sagte:

11 Erbitte dir ein Zeichen vom Herrn, deinem Gott, in der Tiefe oder in der Höhe!

12 Und Achaz sagte: Ich will gewiss den Herrn nicht bitten und auch nicht versuchen!

13 Und er sagte: Hört doch, Haus Davids. Ist es etwa ein Kleines für euch, mit Menschen einen Kampf zu führen? Wie führt ihr dann einen Kampf mit dem Herrn?

14 Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben; Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und ihr werdet (du wirst) seinen Namen nennen: Emmanuel.

15 Butter und Honig wird er essen. Bevor er Böses erkennt oder sich (dafür) entscheidet, wird er das Gute erwählen.

16 Denn bevor das Kind Gut oder Schlecht erkennt, sagt es dem Bösen ab, um das Gute zu erwählen. Und das Land, das du angesichts der beiden Könige fürchtest, wird verlassen werden.

17 Aber Gott wird über dich und dein Volk und über dein Vaterhaus Tage heraufführen, wie sie noch nicht gekommen sind seit dem Tag, an dem er Ephraim von Juda wegnahm, (und zwar durch) den König der Assyrer.

Die Abweichungen von der hebräischen Vorlage haben laut Rösel den Sinn, dass eine Heilsansage zu verstehen sei, „die auf die Situation der späten Makkabäerzeit zielt und in ihr konkret Hoffnung schenkt.“[14] Denn zu dieser Zeit der Übersetzung wurde Juda von den Seleukiden Syriens bedroht, und an zwei anderen Stellen in der Septuaginta werden die hier erwähnten Feinde von Israel (Aram) mit „Syria“ wiedergegeben.[15]

Sehr auffällig sind die Zusätze in Vers 4, wodurch der Zorn Gottes sehr kurz sein wird und dann wieder eine Heilung eintreten wird. Das Gericht wird abgeschwächt, in Vers 9 wird aus „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ nur noch „Glaubt ihr nicht, so werdet ihr gewiss nicht verstehen.“ Damit wird auf Jes 6,10 angespielt, wo auf das Verstehen auch die Heilung folgt.[16]

Während im hebräischen Original in Vers 12 noch negativ ist, dass Ahas das Zeichen ablehnt,[17] wird es in der griechischen Version in Vers 13 kompensiert indem der Kampf Ahas mit dem Herrn ein agon, ein edler Wettstreit sei. Auf dieses verdienstvolle Ringen Ahas folgt nun die Belohnung mit der Geburt des Heilsbringers in V 14-17. Damit wurde der Text von einem Unheilstext zu einem Heilstext.

Troxel analysierte die folgenden Verse 15 der Zukunftsweissagung. Durch die Verschiebung der Teilsätze wird hier die Aussage erheblich verändert. Während im hebräischen Text das Kind der Zeitangabe dient, werden in der Septuaginta die Aussagen auf die Qualität des Kindes bezogen:

Hebräischer TextSeptuaginta
Rahm und Honig wird er essenRahm/Butter und Honig wird er essen,
bis er versteht, das Böse zu verwerfenbevor er Böses erkennt oder sich (dafür) entscheidet,
und das Gute zu wählen.wird er das Gute erwählen.
Denn bevor das Kind versteht,Denn bevor das Kind Gut oder Schlecht erkennt,
das Böse zu verwerfensagt es dem Bösen ab,
und das Gute zu wählenum das Gute zu erwählen.
wird das Land verlassen sein,Und das Land wird verlassen werden
das du fürchtest angesichts der beiden Könige.das du fürchtest angesichts der beiden Könige.

Durch die andere Aufteilung der Sätze weist nur noch der letzte Satz in die Zukunft, die anderen drei Sätze sind Eigenschaften des Kindes. Dadurch passt der Text auch viel besser in die Kategorie „Geburtsanzeige“. Während in der hebräischen Vorlage die Unterscheidung von Gut und Böse noch ein Merkmal des Erwachsen-werdens ist, wird es übersteigert indem es schon vor dem Erwachsen sein Gut oder Schlecht erkennt. Die darauffolgende Absage zum Bösen scheint so weit zu gehen, dass es gar nicht mehr zum Bösen fähig ist: „Dem Kind scheint so etwas wie ein Unvermögen zum Bösen anhaften, eine Vorstellung, die nach Jer 31,31-34 sowie Ez 11,19f. zu Israels Erwartungen an die Heilszeit gehört.“[18] Spätestens jetzt wird deutlich, dass der Übersetzer in dem Kind den Messias sieht. Dieser wird sich vor Gott stets recht verhalten, und so wird es ewigen Frieden geben. Dabei wurde Jesaja 7 mit den Kapiteln 9 und 11 zu einem messianischen Dreiklang verbunden.[19] Dabei ist Kapitel 7 die Ankündigung, Kapitel 9 die Beschreibung der Herrschaft und Kapitel 11 das Friedensreich. Der Messias wird für die niedrigen Recht schaffen und ist mit Gerechtigkeit gegürtet und mit Wahrheit umhüllt (Jes 11,3.5). Ein weiterer messianischer Anklang ist, dass in Jes 7,13 das Haus Davids angesprochen wird; „ihr werdet seinen Namen nennen Emmanuel.“ Dadurch wird dies als Ankündigung für einen neuen Thronfolger verstanden. Daraus folgt auch, dass in Jes 7,14 die Zeitstufe in die Zukunft gelegt wird. Während im Hebräischen die Zeitstufe von dem Adjektiv schwanger und dem Partizip gebärend unbestimmt ist, wird sie im griechischen als eine Weissagung auf die Zukunft gedeutet: „Siehe die Jungfrau wird schwanger sein und wird einen Sohn gebären.“

Damit wird insgesamt deutlich, dass Jes 7,14 durch die Übersetzung in der Septuaginta mit der Messiaserwartung verbunden wurde. Dadurch ging vermutlich das messianische Verständnis dieser Bibelstelle zwischen hebräisch sprechenden und griechisch sprechenden Juden auseinander – denn wir haben keinen Beleg für ein messianisches Verständnis von Jes 7,14 aus dem rabbinischen Judentum. Es wird aber deutlich, dass die Prophetie aus 7,14 schon vor den Evangelien als wartendes Wort verstanden wurde, als Ankündigung für den Messias. Die Autoren vom Matthäusevangelium und Lukasevangelium haben unabhängig voneinander ihre Geburtsgeschichte auf Jes 7,14 aufgebaut.[20] Dieser Text aus der Septuaginta war also sehr zentral für die ersten Christen.

Wir wissen jetzt, dass Jes 7,14LXX auf den Messias bezogen wurde. Aber noch bleibt die zentrale Frage offen, warum in der Septuaginta die Jungfrau schwanger wird. Hängt dies mit einer jungfräulichen Empfängnis zusammen?

In Jes 7 wird das Kind als sündlos dargestellt, da es von klein auf die Sünde verwerfen wird und den göttlichen Ratsschluss verkündet, womit das Friedensreich begründet wird und der Messias herrscht. Das Messiaskind wird also aus der menschlichen Sündhaftigkeit herausgenommen. Jetzt wird die Mutter als Jungfrau bezeichnet. Ist damit schon an einer Götterzeugung angespielt? Die Eigenschaft der Jungfrau bezieht sich erstmal auf die Mutter, und nicht auf das Kind. In ägyptisch-alexandria ist die Vorstellung der Götterzeugung des Aion aus einer Jungfrau bekannt. Auch darin geht es um die Ankündigung einer neuen Heilszeit. Daher könnte die Nennung der Jungfrau mit der Vorstellung einer Götterzeugung einhergehen, dies ist aber nicht sicher.[21] Diese ägyptische Herrschaftslegitimation durch eine Jungfrau als Mutter wurde dabei nicht biologisch verstanden, sondern kultisch. Für eine ägyptische Beeinflussung im Jungfrauenmotiv spricht, dass es in der Septuaginta grundsätzlich die Tendenz gibt, ägyptische Vorstellungen aufzugreifen.[22] Dagegen spricht aber, dass die Geburtsmythen eher den allgemeinen Herrschaftsanspruch der Pharaonen legitimieren, sich die Übersetzung der Septuaginta aber auf ein konkretes Zeitgeschehen in naher Zukunft bezieht. Da auch der syrische König mit einem Herrschaftsanspruch gegenüber Israel auftrat, wird dieser konkreten Bedrohung ein Heilsbringer entgegengestellt, der von Gott geschenkt aus Israel hervorgehen wird.[23] Damit geht es mit der Erwähnung der Jungfrau ebenfalls um die Legitimation des universalen Herrschaftsanspruches in dem jüdischen Messias. Belegt wird dies dadurch, dass in der Messiaserwartung der Septuaginta eine einzelne Person erwartet wird, die das politische Heil aufrichtet.[24] Ein jungfräuliche Geburt steht also noch nicht im Fokus, sondern die Jungfrau betont hier den Herrschaftsanspruch des Kindes. Das dürfte das zentrale Motiv sein. Neben dem Herrschaftsanspruch klingt aber auch der Hinweis auf eine göttliche Vaterschaft in der Jungfrau an. [25]

Wurde ein jungfräulich geborener Messias erwartet?

In der Septuaginta spielt die Messiaserwartung eine wesentliche Rolle bei der auslegenden Übersetzung der Bibel. Gibt es in der Messiaserwartung eine Linie, die eine Jungfrau betont?

Gedanklich springen wir jetzt zwei Jahrhunderte weiter zur Zeitenwende in das Umfeld von Matthäus bzw. dem Autor des Matthäusevangeliums[26]. Wir versuchen nun, die „messianische Exegese“ nachzuvollziehen, also wie der Messias durch Bibelauslegung erwartet wurde. Dazu beginnen wir mit dem Matthäusevangelium, da dort ganz klar auf Jes 7,14LXX verwiesen wurde. Wir folgen dabei Rudolf Pesch, der die Messiaserwartung der frühen Gemeinde rekonstruiert hat.[27]

Schon mit der Einleitung des Matthäusevangeliums mit Jesus als Sohn Davids und Sohn Abrahams werden gezielt Judenchristen angesprochen. Matthäus greift in seinem Evangelium als einziger Themen auf wie die Tempelsteuer (17,24), die Anrede der Jünger als Rabbi (23,8ff), jüdische Schwurformeln (23,16ff), die Verzehntung (23,3ff) oder den Tempeldienst am Shabbat (12,5ff). Die jüdischen Reinigungsprozeduren (15,1ff) muss er nicht wie im Markusevangelium (Mk 7,1) erklären, sondern kann es als Vorwissen bei seinen Lesern voraussetzen. Der Aufbau des Matthäusevangeliums orientiert sich am Aufbau der Tora. Immer wieder zitiert Matthäus aus dem Alten Testament. All dies weist darauf hin, dass sich Matthäus selbst dem judenchristlichen Glauben zugehörig fühlt. In einer frühen Abfassungszeit von 55-65 ist das auch sehr gut denkbar.[28] Aus dieser Perspektive ist das ganze Evangelium als Werbeschrift für sein jüdisches Umfeld zu sehen. Dabei betont Matthäus die positive Rolle von Schriftgelehrsamkeit (13,52; 23,8; 23,34, 23,1), so bleibt ihm die Schrift bestehen und wird erfüllt (5,18), Jesus wird als Lehrer von Israel dargestellt (5,1; 7,28), bei ihm gehört Lehre und Tun zusammen (5,19; 7,21). Matthäus überliefert als Einziger die Ankündigung Jesu, dass er Weise und Schriftgelehrte zu Israel senden werde (23,34) – und vermutlich sah Matthäus sich selbst als einen „Schriftgelehrten, der ein Jünger des Himmelreiches geworden ist, der Altes und Neues aus seinem Schatz hervorbringt“ (13,52).[29] Die Gemeinden in Antiochien, denen Matthäus wahrscheinlich angehörte, waren durch die Vertreibung der „Hellenisten“ aus Jerusalem hervorgegangen und mussten sich nun schmerzhaft mit dem Mysterium auseinandersetzen, dass ein Teil Israels den Messias nicht erkannt hat – aber dennoch Heil aus dem Leben und Sterben Jesu hervorging und er der wahre Messias ist. Dieser Zweiklang zieht sich durch das Evangelium – Jesus erweist sich als Messias und wird gleichzeitig abgelehnt. Aus dieser Gegenwart nimmt der Evangelist das Heilshandeln Gottes wahr und legt von hier aus die Schrift aus. Seine Perspektive ist der Schlüssel zum Verständnis seiner Schriftauslegung, die „messianische Exegese“ genannt werden kann.[30] Dieser Umgang mit der Schrift entspricht dabei nicht immer dem heutigen exegetischen Empfinden, wie am Erfüllungszitat von Hos 11,1 deutlich wird, dass Gott seinen Sohn aus Ägypten rief (Mt 2,15). Dabei lässt sich aus dem ursprünglichen Sinn, bei dem Israel der Sohn ist, keine verständnismäßige Brücke zu Jesus ziehen. Matthäus denkt „von der Gegenwart her und reflektiert über sie im Licht der Bibel.“[31] Seine Bibelauslegung schließt also „die Dimension eines geschichtlich sich entfaltenden Sinnes“[32] mit ein.

Wie später noch bei der Betrachtung der Geburtsgeschichte nochmal aufgegriffen wird, hält sich Matthäus an die Form der Geburtsanzeige für jüdische Heilspersonen. Diese besteht aus einer Ankündigungsformel „Siehe, sie wird empfangen und gebären“, der tatsächlichen Geburt, der Beschneidung und Namensgebung. Das finden wir zum Beispiel bei den Geburten von Isaak, Simson oder Samuel und der apokryphen Überlieferung von Mose sowie Abraham (die damals nicht als apokryph eingeordnet wurden). Jes 7,14 war eine noch nicht erfüllte Geburtsankündigung geblieben, die genau diese Ankündigungsformel enthält: „Siehe, eine junge Frau/ Jungfrau wird schwanger werden“. Um die Form der jüdischen Geburtsanzeige auszufüllen benötigte Matthäus so einen Baustein. Das messianische Signalwort dabei ist, dass eine Frau schwanger wird. Denn das finden wir auch in Micha 5,1-3. Matthäus war dieser Text wohlbekannt, er zitiert ihn später in Mt 2,6 in einem anderen Kontext. Dieser Text ist ein Schlüsseltext zum messianischen Verständnis der ersten Christen, denn er verweist auf weitere messianische Texte [Die Verweise sind in der Klammer markiert]. Dort heißt es:

1 Aber du, Betlehem-Efrata, [à 2 Sam 7,12-16]

bist zwar klein unter den Sippen Judas,

aus dir wird mir einer hervorgehen, [à Jes 11]

der über Israel herrschen soll. [à Jes 9,5-6]

Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit,

in längst vergangenen Tagen. [à Ps 2; Ps 89; Ps 110]

2 Darum gibt er sie preis, bis zu der Zeit,

da die Gebärende geboren hat. [à Jes 7,14]

Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren [Jes 7]

 zu den Söhnen Israels.

3 Er wird auftreten

und ihr Hirt sein in der Kraft des HERRN,

in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.

Sie werden in Sicherheit wohnen;

denn nun wird er groß sein

bis an die Grenzen der Erde.

Dieser Text darf als Schlüssel angesehen werden, in dem sich messianischen Texte überlagen und aufeinander verweisen. Die Kunst jüdischer Schriftauslegung lag in der Verknüpfung dieser Schlüsselworte zu Texten, die sich gegenseitig erhellen. Da im Lukasevangelium in der Geburtsgeschichte auf die gleichen Texte angespielt wird, und beide als unabhängig voneinander gelten, kann man annehmen, dass dies eine Auslegungstradition in der frühen Gemeinde darstellt.[33] Auch in Jes 9,5-6 wird der künftige Herrscher als

„Ein Kind wird uns geboren,

ein Sohn wird uns geschenkt“

eingeführt. An dieses Passiv knüpft Matthäus in Mt 1,16 wieder an Jesus „wurde gezeugt“. Diese Passivformulierungen finden wir auch bei anderen Geburtsankündigungen in der Tora, bei denen Gott Fruchtbarkeit geschenkt hat. Damit sind wir wieder bei der Reihe von Geburten, die schon von Phio direkt auf Gott zurückgeführt wurden: Die erbetenen und von Gott geschenkten Kinder von Abraham und Sara (Gen 17,16), Rahel (Gen 30,6), und in Bezug auf das Schenken Gottes ebenso Rut (Rut 4,12.13) und Hanna (1 Sam 1,6).

Die zentrale Messiaserwartung ist die Natans-Verheißung in 2 Sam 7,12-16:

12 Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen.

13 Er wird für meinen Namen ein Haus bauen und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen.

14 Ich werde für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein. Wenn er sich verfehlt, werde ich ihn nach Menschenart mit Ruten und mit Schlägen züchtigen.

15 Nie wird sich meine Huld von ihm entfernen, wie ich sie von Saul entfernt habe, den ich vor dir entfernt habe.

16 Dein Haus und dein Königtum werden vor dir auf ewig bestehen bleiben; dein Thron wird auf ewig Bestand haben.

Es finden sich darin die zentralen Eigenschaften des Messias, aber für uns ist hier hervorzuheben, dass es ein leiblicher Sohn Davids ist und Gott sagt „Ich werde für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein.“ Hier klingt auch der messianische Psalm 2,7 an:

„Kundtun will ich den Ratschluss des HERRN.

Er hat zu mir gesagt:

Du bist mein Sohn,

heute habe ich dich gezeugt.“

Und geht über in Psalm 110,3.4:

3 Dich umgibt Herrschaft am Tag deiner Macht,

im Glanz des Heiligtums.

Ich habe dich aus dem Schoß gezeugt vor dem Morgenstern.

4 Der HERR hat geschworen und nie wird es ihn reuen:

Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.

All diese Messiaserwartung ist mit der Sohnschaft verbunden und daher haben wir in Jes 7,14 aus dieser Perspektive ein zentrales messianisches Kriterium in der Frau die schwanger wird und dem Kind, das aufwächst. Die Schlüsselbegriffe drehen sich um den Themenkomplex von Gebärende – gebären – von Gott gezeugt – Sohn – Sohn von Gott. In diese Linie fügt sich Jes 7,14 nahtlos ein mit dem Wortlaut:

„Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel [Gott-mit-uns] nennen.“

Dass der Herr selbst das Zeichen gibt, schlägt dann wieder eine Brücke dazu, dass Gott selbst der Vater sein wird. Dementsprechend gab es schon in einem frühen jüdischen Text aus Qumran, also 1.-2.jhdt vor Christus, eine Erwartung, dass „Gott den Messias zeugt“.[34] Dieser Text bezog sich vermutlich auf Psalm 2,7.

Dass der Vater in Jes 7,14 nicht genannt ist, gibt dem Spielraum, dass Gott selbst dem Messias Vater sein wird. Es ist also keine willkürliche Exegese wenn Matthäus Jes 7,14 aufgreift, sondern entspricht der judenchristlichen Messiaserwartung.

Diese Linie belegt insgesamt eindrücklich, dass es vermutlich sehr wohl eine jüdische Erwartung gab, nach der der Messias aus Gott gezeugt werden sollte. Eine Jungfrau spielte dabei keine ersichtliche Rolle. Wir müssen dabei aber immer noch Philo im Hinterkopf behalten, der diese Zeugung aus Gott als religiöse Sprache einordnet, die keine biologische Aussage trifft. Auch heute noch wird im Judentum ein Messias erwartet, als „ein normaler Mensch, geboren von menschlichen Eltern. Es ist daher möglich, dass er schon geboren ist.“[35] Um das jüdische Publikum anzusprechen muss Matthäus eine Kindheitsgeschichte erzählen, die Jesus zu den Großen der jüdischen Religion einreiht und dabei Raum für die Zeugung aus Gott lässt – aber auch aufgeklärt gedacht werden darf.

Kann man junge Frau mit Jungfrau übersetzen?

Wird der Heilsbringer von einer Jungfrau geboren oder von einer jungen Frau? Schon Luther störte sich an der ungewöhnlichen Übersetzung von Jes 7,14LXX als Jungfrau und wollte 100 Gulden dem „störrigen, verdammten Juden“[36] zahlen, der den Nachweis führt, dass עַלְמָה          (almah) statt einer Jungfrau nur eine junge Frau bezeichnet. Er wünschte sich mit Nachdruck, dass die Übersetzung mit „junge Frau“ richtig wäre. Von Luther sind diese barschen Töne bekannt, aber selbst Calvin wird bei diesem kniffligen Thema ausfallend.[37] Wer sich am griechischen Alten Testament, der Septuaginta, orientierte, las dort „Jungfrau“, in der ursprünglichen hebräischen Bibel steht aber „junge Frau“. Dies führte zu massiven Spannungen zwischen christlichen und jüdischen Bibelauslegern. Der Übersetzungsstreit beginnt schon in der Entstehungsphase des Christentums im Dialog von Justin und Tryphon[38]:

„Alle Schriftstellen nämlich, welche ich (bisher) euch angeführt habe, erkennt ihr an; nur bezüglich des Wortes: ‚Siehe, die Jungfrau wird empfangen’ habt ihr widersprochen und habt behauptet, es heiße: ‚Siehe, das junge Weib wird empfangen.’ Ich habe versprochen zu beweisen, daß nicht – wie ihr gelernt habt – auf Ezechias [gemeint ist Hiskija, Sohn des Ahas] die Prophetie gesagt ist, sondern auf diesen meinen Christus.“

Ein ähnlich frühes Zeugnis des Streits findet sich bei bei Irenäus 160 n. Chr.[39] und wurde mit einem ebionitischen Bibelübersetzer geführt:

„Gott ist also Mensch geworden, und der Herr selbst wird uns erlösen, indem er das Zeichen der Jungfrau gibt. Falsch ist daher die Deutung derer, die da wagen, die Schrift so zu erklären: Siehe, ein Mädchen wird im Leibe haben und einen Sohn gebären. So übersetzen es Theodotion aus Ephesus und Aquila aus Pontus, beides jüdische Proselyten; ihnen folgen die Ebioniten, die da sagen, er sei der natürliche Sohn Josephs. Damit zerstören sie die großartigen Heilspläne Gottes, soviel an ihnen ist, und vernichten das Zeugnis der Propheten, das Gott kundgetan hat. Denn noch vor der babylonischen Gefangenschaft, d. h. bevor noch die Meder und Perser die Herrschaft antraten, wurde es geweissagt und ins Griechische übersetzt von den Juden selbst lange vor den Zeiten der Ankunft des Herrn, sodaß der Verdacht völlig ausgeschlossen ist, die Juden hätten dies so uns zuliebe übersetzt.“[40]

Schon immer wurde über diese Übersetzung gestritten und die Christen beriefen sich ausschließlich auf die griechische Übersetzung. Die jüdischen Übersetzer wurden von den frühen Kirchenvätern diesbezüglich gerne als Lügner[41] und Bibelfälscher[42] beschimpft. Eine Wahrheitsfindung war schwierig, da mit Jes 7,14 die Theorie der Jungfrauengeburt angegriffen würde – und damit ein wesentliches Heilsmerkmal des Christus als dem Messias, den die Juden nicht in der Form anerkannten wie die Christen. Es ging nicht nur um ein Wort, sondern um die ganze Anschauung der Jungfrauengeburt. Außerdem waren wohl verschiedene Versionen der LXX im Umlauf, so lasen die hellenistischen Juden Aquila und Theodotion νεανις (neanis, junge Frau) statt παρθένος (parthenos, Jungfrau). Die Judenchristen, die die Torah in der hebräischen Version lasen, verstanden in Jes 7,14 „siehe eine [almah] wird schwanger werden“ עַלְמָה (almah) als eine junge Frau von der Geschlechtsreife bis zur Geburt des ersten Kindes. Der Fokus von עַלְמָה (almah) liegt auf dem Alter der Frau und über den Status der Jungfräulichkeit wird nichts ausgesagt.[43] Da Frauen damals sehr früh schwanger wurden, zwischen 12 und 14, daher konnte das Wort im Alltag als „Mädchen“ gebraucht werden.

An einer Stelle im Alten Testament kommt junge Frau und Jungfrau in einem Vers vor. In Gen 24,16[44] heißt es über Rebekka: „Die junge Frau [almah] aber war überaus schön im Aussehen, sie war eine Jungfrau [betulah], ein Mann hatte sie nicht erkannt.“ In der Septuaginta wird Rebekka beide Male παρθένος (partenos, Jungfrau) genannt. Das hängt auch damit zusammen, dass das Buch Genesis wesentlich früher übersetzt wurde und sich noch enger am klassischen Griechisch orientiert, in dem der Begriff einfach für Mädchen eingesetzt wurde, ohne zwischen Jungfrau und junge Frau zu unterscheiden.[45] Daher störte es den Leser im griechischen nicht, dass Rebekka jetzt in einem Vers zweimal Parthenos genannt wird.[46] Es gibt bei Parthenos also eine weite Verwendung, als Mädchen, und eine enge Verwendung, als Jungfrau. Nur in dieser Bibelstelle und in Jes 7,14 wird almah mit partenos übersetzt. Das deutet darauf hin, dass mit dem Begriff parthenos in Jes 7,14 auch wirklich eine Jungfrau gemeint ist.[47] Die griechische Version unterscheidet sich also ganz bewusst von der hebräischen Urversion.

Etwa 150 v. Christus wurde dann auch das Jesajabuch ins Griechische übersetzt. Aber in Jes 7,14 wird bei der Übersetzung von עַלְמָה (almah) in das Griechische überraschend παρθένος (parthenos), eine „Jungfrau“. Wie kann das sein? Damit wird aus unserer Sicht der jungen Frau jetzt plötzlich eine Jungfräulichkeit unterstellt. Wenn man es wie beispielsweise der große Bibelausleger Ulrich Lutz genau nimmt, ist die Übersetzung der LXX ins Griechische mit Jungfrau statt junge Frau nicht korrekt, da eine Almah auch eine junge Frau bezeichnen kann, die nicht mehr Jungfrau ist.[48] Demzufolge gibt es in der aktuellen Lutherbibel bei Jes 7,14 eine Fußnote, der zufolge „Jungfrau“ eigentlich mit „junge Frau“ übersetzt werden müsste.[49] Der Traum Luthers hat sich damit erfüllt. Es gibt jetzt den Beweis, dass hier eine ursprünglich eine junge Frau gemeint war. Wenn man sich nur die Quellenlage der Urtexte anschaut, müsste man auch im Haupttext unserer deutschen Bibeln dem älteren Text folgen und mit „junge Frau“ übersetzen. Aber man muss auch die Wirkungsgeschichte des Textes berücksichtigen. Es gab ja vermutlich Gründe, dass in der Septuaginta die junge Frau zur Jungfrau wurde. Was wollte der Übersetzer damit ausdrücken?

Warum wurde in der LXX junge Frau mit Jungfrau übersetzt?

Wir sehen, dass in der Septuaginta (LXX) das hebräische Wort für Mädchen mit dem griechischen Begriff für Jungfrau wiedergeben wurde. Es gab auch einzelne Abschriften, die auch im griechischen beim Mädchen blieben, aber das ist ein sehr geringer Anteil, und diese Übersetzungen sind erst nach Christus entstanden und können schon eine Reaktion auf die Jungfrauengeburt sein.[50] Auf jeden Fall sollte in der Septuaginta ausgedrückt werden, dass die Mutter des Heilsbringers vor der Zeugung eine Jungfrau war.[51] Es stellt sich die Frage, warum der Übersetzter den Begriff geändert hat. Wie wurde der Text damals verstanden?

Diese Frage ist nicht so ganz einfach zu beantworten. In der Literatur werden verschiedene Antwortmöglichkeiten aufgezeigt. Diese sollen zuerst einmal dargestellt werden.

  • Im damaligen Sprachgebrauch wurde im griechischen parthenos (Jungfrau) so gebraucht, dass wir es heute eher als „junges Mädchen“ übersetzen würden. Die Begriffe wurden nicht so scharf getrennt und „Jungfrau“ war nicht immer anatomisch gemeint, sondern wurde umgangssprachlich für „junges Mädchen“ gebraucht, ohne dass es sich um ein jungfräuliches Mädchen handeln musste.[1] Diese Beobachtung ist wichtig, beißt sich aber mit der Feststellung zur Verwendung von Jungfrau in der Septuaginta.
  • Religionsgeschichtlich besteht eine weitere Möglichkeit darin, dass sich ägyptische Vorstellungen hier einmischen, da wir uns bei der Septuaginta räumlich in ägyptisch Alexandria befinden In diesem Geburtenkult ist „Jungfrau“ aber nicht biologisch gemeint, sondern im Sinn der Schönheit und Reinheit der Frau.[2] Damit könnten bei der griechischen Übersetzung alexandrinische Ideale in die hebräische Vorstellungswelt übertragen worden sein.[3] Dies ist auch dadurch plausibel, dass sich bei Philo in der hellenistisch-jüdischen Kultur ebenfalls Verknüpfungen von sexueller Enthaltsamkeit und Reinheit finden.
  • Zur Erklärung werden noch weitere Parallelen aus der ägyptischen Pharaonenmythologie herangezogen, wie zum Beispiel die Geburt des Heilskönig eines neuen Zeitalters (Aion).[4] Der Pharao wurde im ägyptischen Mythos ebenfalls wie ein Messias als Mittler zwischen Menschen und Gott gesehen und wurde von einer Jungfrau geboren.
  • Die Parallele zur Heilsgestalt kann sich auch auf die Darstellung der Pharaonen als Söhne oder Ephiphanien[5] von Gott beziehen.[6] Dann stellt die Betonung von Jungfrau einen universalen Herrschaftsanspruch des Messias dar, der den mächtigeren Völkern gegenübergestellt wird. Dann dient der Begriff zur Legitimation des Herrschaftsanspruches.
  • In einem überwiegend von katholischen Autoren vertretenen Erklärungsansatz[7] wurde bei Matthäus die junge Frau zur Jungfrau, da in dem Jesajazitat von etwas Besonderem die Rede ist, einem Zeichen vom Himmel. Da eine Schwangerschaft bei einer Jungfrau besonderer sei als bei einer jungen Frau, wäre hier die Jungfraulichkeit zu betonen. Das Argument an sich macht keinen Sinn, da es nichts Besonderes ist, wenn eine Jungfrau schwanger wird. Das passiert ziemlich oft. Genauso ist eine junge Frau meistens auch Jungfrau, daher ist die Übersetzung ebenfalls noch nichts Besonderes. Es wird erst besonders, wenn die Jungfräulichkeit erhalten bliebe, aber das ist in Jes 7,14 nicht gesagt.
  • [1] Gerhard Delling, Art. „παρθένος“, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 5, Stuttgart ²1990, 823-834.
  • [2] Rudolf Kilian, Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, Jes 7,14, in Frank et al., Zum Thema Jungfrauengeburt, 34.
  • [3] So Wolfgang Krauss, der die Septuaginta ins Deutsche übersetzt hat. http://www.welt.de/kultur/article3100214/Uebersetzungsfehler-machte-Maria-zur-Jungfrau.html Stand 07.2016.
  • [4] So zum Beispiel Rösel, Jungfrauengeburt, 146. Zeller weist dies aber zurück, siehe Dieter Zeller, Religionsgeschichtliche Erwägungen zum „Sohn Gottes“ in den Kindheitserzählungen. In: ders, Neues Testament und hellenistische Umwelt (BBB150), Hamburg 2006.
  • [5] Also eine Erscheinung von Göttern unter Menschen in menschlicher Gestalt.
  • [6] Joachim Kügler, Pharao und Christus? Religionsgeschichtliche Untersuchung zur Frage einer Verbindung zwischen altägyptischer Königstheologie und neutestamentlicher Christologie im Lukasevangelium (B113), Bodenheim 1997, 218-222.
  • [7] Hier zum Beispiel Klaus Berger, Kommentar zum Neuen Testament, 16.

Aber gehen wir dem Argument nach, dass hier etwas Besonderes vorliegen soll. Die Schwierigkeit an diesem Lösungsvorschlag ist, dass es nicht nachvollziehbar ist, woher der Gedanke kommt, dass aus einer jungen Frau plötzlich eine Jungfrau werden muss. Also müssen wir weitersuchen.

  • Der nächste Erklärungsansatz zielt darauf ab, dass hier ein messianischer Bedeutungswandel vorliegt. Dadurch wurde zur Zeit der Übersetzung die junge Frau zur Jungfrau. Für sich betrachtet hat Jes 7,14 aber keinerlei messianische Attribute und wurde in der Abfassungszeit von Jesaja nicht messianisch verstanden. Trotzdem verknüpft der Evangelist diese Stelle mit Jesus. Daher ist eine Überlegung, dass bei Jes 7,14 zur Zeit der Übersetzung der Septuaginta ein Bedeutungswandel vorlag, der diese Verschiebung in der Übersetzung fast unmerklich auslöste.[1] Dies wird damit begründet, dass Matthäus diese Stelle messianisch verknüpft. Wie mittlerweile gezeigt werden konnte, liegt dieser Bedeutungswandel in der Septuaginta vor. Aber auch darin ist noch nicht ersichtlich warum es eine Jungfrau sein soll, die den Messias gebärt.
  • Es ist möglich, dass in der Septuaginta die Jungfrau gewählt wurde, um damit eine ungeschlechtliche Empfängnis auszudrücken. Plausibel wurde das unter anderem durch die von Plutarch übermittelte Vorstellung aus der ägyptischen Mythologie, dass Götter mit Menschen Kinder zeugen können.[2] Auch die antiken Zeugungsvorstellungen begünstigen eine Götterzeugungen aus Pneuma. Hinzu kommt noch die frühjüdische Tradition der Betonung des Heilshandeln Gottes bei gleichzeitiger Verdeckung des Zeugungsaktes des Mannes.
  • [1] Rudolf Kilian spricht sich dafür aus, dass dies ziemlich sicher wäre. Peter Fiedler bestreitet dies, da es keinen Beleg dafür gibt. Siehe Peter Fiedler, Das Matthäus-Evangelium, 52.
  • [2] Delling, a.a.O.828-831.

Nach diesem Überblick über verschiedene Antworten in der Literatur sollen die Argumente noch mit der Bedeutung von Jungfrau im jüdischen Kontext ergänzt werden.

Nochmal zurück zur Ausgangsfrage: Warum wurde junge Frau als Jungfrau übersetzt? Inwiefern wurde dadurch der Sinn von der Bibelstelle verändert? Für uns heute hat sich der Sinn auf jeden Fall geändert, wie beim Fazit von Ulrich Lutz deutlich wird: Die griechische Übersetzung ist falsch. Aber wie war das zur Zeit der Übersetzung?

Wir verfolgen den Text gerade quer durch die Jahrhunderte, daher müssen wir zur Untersuchung jetzt Referenztexte aus der Zeit der Übersetzung der LXX suchen. Für das Jesajabuch nimmt man eine Übersetzungszeit von ca. 150 vor Christus an. Daher können uns die Gedanken von Philo und die hebräische Mischna gerade noch so als Referenzgrößen dienen. Dabei wird unterstellt, dass die Ansichten in diesen Texten aus dem ersten Jahrhundert bzw. ersten bis dritten Jahrhundert nach Christus, so schon in den Jahrhunderten zuvor im Denken vorhanden waren.

Im vorherigen Kapitel wurde die Messiaserwartung rekonstruiert, wie sie wohl in der Zeit der Übersetzung vorgelegen haben kann. Dabei lag der Fokus auf der Frau, die einen Sohn gebären soll. Gab es auch eine Messiaserwartung, die mit der Jungfräulichkeit zusammenhängt? In der Literatur habe ich dazu keinen Hinweis gefunden, aber dennoch ist ein Zusammenhang denkbar – dieser muss vom Leser aber besonders geprüft werden. Dieser stellt den Messias als Erstgeburt dar. Im rabbinischen Midrash wird der Segen von Moses über Joseph als messianisch verstanden:[61]

„Sein erstgeborener Stier ist voll Herrlichkeit, und seine Hörner sind wie die Hörner wilder Stiere; mit ihnen wird er die Völker stoßen bis an die Enden der Erde.“

Im Midrasch wird dem Josua als Nachfahre von Joseph dieses Doppelbild zugeordnet. Der Name Josua ist im hebräischen der gleiche Name wie Jesus; Jeschuah. In der deutschen Sprache wird er bewusst von Jesus unterschieden, das hat Tertullian bei der Bibelübersetzung ins Lateinische so eingeleitet. Dieser Jeschuah beschreibt im Midrasch die Aufgabe des Messias, im Doppelbild des Stieres und des Auerochsen. Dabei steht der Stier für das Opfer und der Auerochse für die Herrschaft. In dieser Verbindung des Messias mit dem Stier liegt die gleichzeitig die Verbindung mit der Erstgeburt. Die Erstgeburt galt nach Num 18.17 als heilig.[62] Daher ist es möglich, dass der Messias als ein erstgeborener Sohn erwartet wurde. Bei einer Erstgeburt wäre es naheliegend, dass die Mutter vor der Geburt noch als Jungfrau bezeichnet wird. Eine Bestätigung der Bedeutung des Erstgeborenen ist die Erwähnung bei Lk 2,7 die Betonung des Kindes nach der Geburt als Erstgeborenes.

Wir sehen in der Septuaginta an der Übersetzung von Gen 24 des Mädchens mit Jungfrau, dass die Übersetzer wo es möglich war zur Jungfrau tendierten. Wie zuvor unter (A) angeführt, waren beide Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch der griechischen Kultur etwa gleichbedeutend. In der Übersetzung der biblischen Texte gibt es aber die Tendenz hin zur Jungfrau. Das kann mit der Reinheit und Tugendhaftigkeit zusammenhängen, die dabei mit anklingt. Diese Reinheit und Tugendhaftigkeit wurde von Philo auf die Väterfiguren in der Tora ausgeweitet. Wo es möglich war, galt es also die Jungfrau zu bevorzugen.

Wenn wir heute über Jungfräulichkeit reden, meinen wir damit die sexuelle Unberührtheit. In der Mischna sehen wir, dass im hebräischen Denken eine Jungfrau eine Frau ist, die nicht berührt werden darf, zum Beispiel weil sie zu jung ist. Sie ist noch nicht fruchtbar und daher liegt eine sexuelle Unberührbarkeit vor. Das ist dann auch im Alter wieder der Fall, selbst wenn sie Kinder bekommen hat, kann von ihr wieder als Jungfrau gesprochen werden, um ihre Unberührbarkeit auszudrücken. Philo bedient sich dieser Ausdrucksweise in Bezug auf die alte Sara. Es liegt von der almah zur parthenos also ein Bedeutungswandel vor. Wir erinnern uns, von der almah als geschlechtsreife Frau bis zu ihrem ersten Kind hin zu einer parthenos als nicht geschlechtsreife Frau. Aus einer geschlechtsreifen Frau wird eine nicht geschlechtsreife Frau. Es wandelt sich damit nicht die sexuelle Erfahrung der Frau, sondern ihre gesellschaftliche Einordnung. Während wir heute eine Jungfräulichkeit als Aussage verstehen, dass kein sexueller Kontakt ist, bedeutete Jungfräulichkeit damals auch, dass kein Kontakt sein soll. Es war damals also auch eine Information an das Umfeld der Frau, und weniger ein persönlicher und intimer Status wie heute.

Dies war die erste Änderung vom Sinn durch die Übersetzung aus dem hebräischen Umfeld. Die Sinnänderung geht aber noch weiter. Im hellenistisch geprägten Denken von Philo sehen wir, dass Jungfräulichkeit ganz unabhängig vom biologischen Status gedacht wurde. Er verwendet es zum Beispiel als Beschreibung für die alte Sara und hebt damit ihre Tugendhaftigkeit hervor. Dieses Argument geht jetzt aber noch weiter, denn es wird jetzt mit der Unfruchtbarkeit kombiniert. Von Philo wissen wir auch, „wenn eine unfruchtbare Frau gebiert, war es nicht ein Werk der Zeugung, sondern der göttlichen Kraft.“ Wenn in Jes 7,14 eine Jungfrau schwanger wird, dann hat hier Gott gewirkt. Denn die Jungfrau ist eine in der jüdischen Kultur eine Frau in der nicht-fruchtbaren Lebensphase. Damit liegt in dieser Übersetzung eine hellenistisch-jüdische Traditionslinie vor, die schon vor Christus eine Zeugung direkt aus Gott in dieser alttestamentlichen Bibelstelle gelesen hat.

Diese Beobachtung wird davon gestützt, dass Jes 7,14 von der Textgattung her einer jüdischen Geburtsanzeige entspricht. (Das wird in der Auslegung zu Mt 1,18 noch näher erläutert.) Diese erging immer an eine unfruchtbare Frau, die ein Kind erbeten hat. Daher konnten die Übersetzer der LXX annehmen, dass die Mutter unfruchtbar ist und mit Jungfrau übersetzen.

Es ist kein Zufall, dass diese Traditionslinie bei der Übersetzung vom hebräischen ins griechische sichtbar wird. Einerseits ist die Übersetzung einige Jahrhunderte später als der ursprüngliche Text, und hier hat sich zwischenzeitlich die Messiaserwartung ausgeprägt. Außerdem wurden bei der Übersetzung die Worte so gewählt, dass sie dem kulturellen Kontext angepasst werden. Der Bibelübersetzer entstammte selbst dem hellenistisch-hebräischem Umfeld, sonst hätten er nicht beide Sprachen beherrscht. Und aus eben diesem Umfeld stammt auch Philo. Gerade die Existenz von griechischen Übersetzungen, die an dieser Stelle nicht Jungfrau, sondern Mädchen übersetzt, verdeutlicht dass es sich um eine kulturell bedingte Übersetzung handelt. Wäre es ein Bedeutungswandel, der durch die Sprache bedingt wäre, dann würde es erstmal nicht auffallen und alle Übersetzungen wären einheitlich. Aber das ist ausgeschlossen, auch weil es andere Worte für Jungfrau im hebräischen, und andere Worte für Mädchen im griechischen gibt. Es liegt also ein bewusster kultureller Bedeutungswandel vor und kein einfacher Fehler bei der Übersetzung.

Wenn diese Rekonstruktion stimmt, dann lag schon in der Übersetzung der LXX tatsächlich die Erwartung vor, dass Gott selbst einen Heilsbringer erzeugt. Wobei es naheliegend ist, dass dies theologisch gemeint war, und nicht biologisch.

Das Brisante hieran ist jetzt, dass sich das Evangelium über viele Kulturen hinaus ausgebreitet hat und diese kulturellen Kontexte und Anspielungen verloren gingen. Daher waren nicht alle mit dieser Übersetzung einverstanden, das sieht man schon 120 n. Chr. an dem Übersetzungsstreit, der von Justin überliefert ist. Während Matthäus noch so viel Hintergrundwissen hatte, dass für ihn die Verknüpfung mit Jes 7,14 selbstverständlich war, war dies mit der zunehmenden Ausbreitung des Evangeliums nicht mehr gegeben. Matthäus wollte gemäß der messianischen Erwartung, und so wie es Philo den Hellenisten erklärte, das Heilshandeln Gottes ausdrücken. Irreführend wird die Übersetzung mit der Ablösung vom ursprünglichen kulturellen Kontext und der Platzierung in eine Geburtsgeschichte, die bei den hellenistischen Lesern die Frage nach der biologischen Vaterschaft auslöst, und auch noch mit der Betonung der Jungfräulichkeit ein völlig neues Motiv herausliest. Hierzu Rudolf Pesch:

„Es blieb der späteren Frömmigkeit, die mit dem Offenbarungsrealismus Israels und der ersten Gemeinden nicht mehr so vertraut war, vorbehalten, darin [in der Sohnschaft Jesu] eine Konkurrenz zwischen Gott als dem Vater des Gottessohnes und Josef als seinem menschlichen Vater zu vermuten.“[63]

Warum folgt Matthäus der Jungfrau aus der LXX?

Wir konnten nun eingrenzen, was die Jungfrau in der Septuaginta bedeutete. Aber wir wissen noch nicht, warum Matthäus diese Stelle in die Geburtsgeschichte eingebunden hat. Da Matthäus nicht immer die Septuaginta benutzt hat und hebräisch beherrschte[64] ist anzufragen, warum er Maria als Jungfrau beschreibt und warum beim Bibelzitat der Version mit der „Jungfrau“ gefolgt wurde und nicht der „jungen Frau“.[65] Die Christen lasen damals hauptsächlich die Septuaginta, aber Matthäus sah sich als Schriftgelehrter, und im Matthäusevangelium finden wir in den Zitaten teilweise die Orientierung am hebräischen Original und teilweise an der Seputaginta.

Es stellt sich die Frage, ob in dem Jesajazitat im Matthäusevangelium die Jungfrau oder die junge Frau geschrieben wurde. Das hängt auch davon ab, in welcher Sprache das Matthäusevangelium ursprünglich verfasst wurde. Die ältesten Quellen bei Eusebius[66] und Irenäus[67] gehen auf eine Notiz von Papias zurück und legen eine hebräische oder aramäische Ursprungsversion nahe. Allerdings ist die Sprachgestalt des Evangeliums so einheitlich, dass mehrheitlich vermutet wird, dass es keine Übersetzung aus einer semitischen Sprache ist, sondern ursprünglich auf Griechisch, aber in hebräischer Sprachgestaltung vorlag. Die Frage nach der ursprünglichen Sprache kann hier nicht beantwortet werden, aber klar ist, dass mehrheitlich mit der griechischen Version gearbeitet wurde und diese die Grundlage für unseren heutigen Text ist. Der älteste semitische Text im Syrus Sinaiticus liest in Mt 1,16 das seltene „Josef zeugte Jesus“ und zitiert gleichzeitig Jes 7,14LXX, dass also die Jungfrau schwanger wird. Daher wird selbst in der ältesten uns vorliegenden semitischen Version die Jungfrau schwanger.[68]

Bei anderen Zitaten folgt das Matthäusevangelium nicht der Septuaginta, sondern dem hebräischen Text.[69] Warum wählt Matthäus diese Variante mit der Jungfrau? Ein wesentlicher Aspekt ist die Messiaserwartung in Jes 7LXX und die frühjüdische Tradition der Betonung des Heilshandeln Gottes, dies wurde schon erläutert. Für uns stellt sich die Frage: sollte gezielt eine jungfräuliche Empfängnis ausgedrückt werden? Die Frage soll jetzt nicht mehr sein, ob es richtig oder falsch übersetzt ist, sondern was Matthäus mit der Information der Jungfräulichkeit ausdrücken wollte.

Bei dem analogen Wandel der Rebekka von עַלְמָה (almah) in das griechische παρθένος (parthenos) lagen den Übersetzern aus den Versen zuvor weitere Informationen vor, die die Übersetzung rechtfertigen. Auch bei Matthäus kann man solch einen Schluss ziehen. Da Maria eine jungfräuliche Verlobte war, die noch nicht heimgeholt wurde, kann man aufgrund der damaligen Gebräuche vermuten, dass sie noch zu jung war und Jungfrau auch in dem Sinn war, dass sie noch keine drei Monatsblutungen hatte, weshalb die Heimholung noch warten musste. Sie war also im jüdischen Sinn noch nicht geschlechtsreif. Eine עַלְמָה (almah) bezeichnet aber die geschlechtsreife Frau, daher war dieser Begriff nicht angemessen für die Situation bei Maria und der passende Begriff ist dann בְּתוּלָה (betulah, Jungfrau) bzw. griechisch παρθένος (parthenos). Der Verfasser konnte also nur diesen Begriff wählen, um Maria zu beschreiben. Dadurch wird dann in der Geburtsgeschichte auch ein Fruchtbarkeitswunder in Analogie zur unfruchtbaren Elisabeth ausgedrückt. Indem das Kind in einer Situation der Unfruchtbarkeit empfangen wird, wird sein Verheißungscharakter betont und dass es nicht durch menschliche Kraft, sondern durch die Kraft des Heiligen Geistes geboren wurde. Darauf weist die ausdrückliche Erwähnung der Elisabeth als „unfruchtbar“ hin.

Es ist ebenso zu überlegen, dass Matthäus gerade die anatomische Jungfräulichkeit der jungen Maria hervorheben wollte, um eine Zeugung aus Gott zu erzählen und sich daher genau dieses Zitates bediente. Aber mit den Hintergrundinformationen aus der damaligen jüdischen Kultur wird diese Erwähnung der Jungfrau inhaltlich relevant. Im Judentum sollte die Ehe erst vollzogen werden, wenn die junge Braut drei Monatsblutungen hintereinander hatte. Damit wurde das Mädchen geschützt und gleichzeitig eine klare Regelung getroffen, wann aus dem Verlobungsstatus in die Ehe gewechselt werden durfte. Wenn eine Frau schwanger wurde, bevor sie diese drei Monatsblutungen hatte, sprach man von einer Jungfrau, die schwanger wurde. Daher passt nicht nur die Übersetzung der LXX besser, sondern es wird damit auch die Situation der Maria damit den Lesern zutreffend erklärt. Da Matthäus für jüdische Leser schrieb, kann er dieses Hintergrundwissen voraussetzen. Erst in der Ablösung aus diesem jüdischen Kontext wird die Passage mysteriös und der Wundercharakter rückt in den Vordergrund.

Letztlich ist aber der spätere Streit über die Übersetzung bei Matthäus das entscheidende Indiz dafür, dass die Jungfrauengeburt bei hellenistisch geprägten Christen anders gewirkt hat als im jüdischen Kontext. An dieser Stelle vertiefte sich der Bruch zwischen den Judenchristen und den Juden.[70] Auch die verschiedenen Textvarianten der Geburtsgeschichten weisen darauf hin, dass die jungfräuliche Empfängnis schon früh umstritten war. Zu beachten ist auch, dass die eigentliche Aussage des Jesaja-Zitats über den Heilbringer, der in die Ablehnung des Volkes hineinkommt, aus dem Blick gerät, sobald der Fokus auf die Jungfrau gesetzt wird.

Zusammenfassung: Warum wurde mit Jungfrau übersetzt?

Nun wurden von verschiedenen Richtungen und Autoren Argumente zusammengetragen. Bei einem genaueren Blick sind diese nicht widersprüchlich zueinander, sondern können wie in einem Puzzle ein einheitliches Bild ergeben. Ein zuletzt fehlende Puzzleteil war der Startpunkt, den Gudrun Holtz anhand der jüdischen Traditionslinie von Sara und Abraham hervorgehoben hat.[71] Das hängt auch damit zusammen, dass das Jubiläenbuch bei Campenhausen und Dibelius zu spät datiert wurde, da die Qumranfunde noch nicht vorhanden waren.

  1. Die Sarah und Abraham- Überlieferung wurde im Judentum teilweise so gelesen, dass die Rolle von Abraham zugunsten des Wunders, das Gott bewirkt, heruntergespielt wurde.
  2. Aufgrund der Qumranfunde lässt sich das Jubiläenbuch ca. ins 2. Jhdt. vor Christus einordnen.[1] Die Verfassungszeit der Septuaginta liegt mit 150 v. Chr. etwas später, und könnte davon beeinflusst sein. Im Jubiläenbuch, dem wichtigsten Buch unter den Qumranfunden, findet sich eine starke Traditionslinie, die eine Erzeugung von besonderen Nachkommen direkt aus Gott ausdrückt. In dieser Traditionslinie liegt auch schon ein asketisches Ideal in Bezug auf die Männer.
  3. Im ägyptischen Alexandria, wo auch die Septuaginta übersetzt wurde, wird der Pharao als Heilsbringer aus einer Jungfrau geboren. Die Bezeichnung Jungfrau betonte dabei die Reinheit und Tugendhaftigkeit, allerdings in einem sexuellen Kontext, also nicht als Ideal der Unberührtheit. Im Vordergrund steht aber, dass damit der Herrschaftsanspruch des Messias gegenüber den bedrohenden Großreichen deutlich gemacht.
  4. Wo es möglich war, wurde in der Septuaginta junge Frau mit Jungfrau übersetzt. Die griechischen Wörter Jungfrau und junge Frau lagen umgangssprachlich nahe beieinander.
  5. Bei Philo wird deutlich, dass die Reinheit und Tugendhaftigkeit auch im hellenistischen Judentum mit der Jungfrau verbunden war. Spätestens hier wandelt es sich zum asketischen Ideal.
  6. Von der Abfassungszeit bei Jesaja im hebräischen Urtext bis zur Rezeption in der Septuaginta fand ein Bedeutungswandel statt, der diese Stelle messianisch verstand und auf die Zukunft deutete. Dabei wurde eine Heilszeit angekündigt.
  7. Schlüsselbegriffe der Messiaserwartung waren „Sohn“ und „schwanger werden“. Vom Messias wurde erwartet, dass er aus Gott gezeugt wurde.
  8. Der Messias wurde als Erstgeborener erwartet, daher war die Mutter vor der ersten Zeugung und Geburt noch Jungfrau.
  9. Dass ein besonderer Heilsbringer erwartet wurde, konnte die mit dem Wort „Jungfrau“ betont werden, denn damit wurde die Tugendhaftigkeit der Mutter und das Heilshandeln Gottes in der Zeugung betont. Es wurde Raum für ein Fruchtbarkeitswunder gegeben.
  10. Die Frage nach einer biologischen Jungfräulichkeit in der Zeugung wurde erst durch die Platzierung im Matthäusevangelium verstärkt und ist in der Übersetzung der LXX noch nicht enthalten. Im jüdischen Kontext war die Jungfrau eine junge Frau, die sich als Mädchen noch in der Phase der Unfruchtbarkeit und vor der Eheschließung befand. Daher konnte sich an ihr ein verheißenes Kind offenbaren.
  11. Wurde eine Frau vor den drei Monatsblutungen schwanger, sprach man im jüdischen Kontext davon, dass „eine Jungfrau schwanger wurde“.
  12. In der messianischen Gemeinde wurde ein Messias erwartet, der von Gott gezeugt (Ps 2,7) und von einer Frau geboren wurde (Jes 7,14). Diese Begriffe hoben im jüdischen Kontext hervor, dass Gott das Heil schaffte.
  13. Philo zeigt auf, dass nur bildhaft eine Vaterschaft Gottes oder eine Erzeugung ohne leiblichen Vater gedacht wurde, nicht biologisch.

    [1] Die Qumranfunde vom Jubiläenbuch werden auf ca. 125-100 v.Chr. datiert. Da das Buch dort schon als autoritative Schrift angenommen wurde, könnte es schon wesentlich früher entstanden sein. Für eine Datierung ins frühe 2.Jhdt spricht, dass in Kapitel 15 Themen aus dem Makkabäeraufstand 168 v. Chr. aufgegriffen werden.

Insgesamt wurde durch die Übersetzung mit Jungfrau verdeutlicht, dass Gott das Heil schafft. Daher konnte die hebräische Bibel so ins Griechische übersetzt werden. Bei diesem neuen Motiv der „Jungfrau“ wird Gott aber nicht als biologischer Vater gedacht.


[1] Vgl. Campenhausen, Die Jungfrauengeburt in der Theologie der alten Kirche, 20.

[2] im griechischen Bibeltext „Jungfrau“

[3] Hoffnung für alle, 2015. (Hier wurde eine flüssig lesbare Übersetzung gewählt, da es erstmal um den Sinn des gesamten Textes geht.)

[4] Rudolf Kilian, Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, Jes 7,14, 15f.

[5] Herbert Haag, Is 7,14 als alttestamentliche Grundstelle der Lehre von der Virginitatis. Mariae, in: Josef Brosch, Jungfrauengeburt, a. a. O., 142. Anders dagegen die Ausleger, die in der Geburt durch die junge Frau an einem Wunder festhalten, so z. B. Johannes Schildenberger, Die jungfräuliche Mutter Maria im Alten Testament, in: Josef Brosch, Jungfrauengeburt, 127.

Zur Auslegung von Jes 7 als Unheilsprophetie siehe: Hans Wildberger, Jesaja I, Jesaja 1-12. (Neukirchen-Vluyn, 1980), 288-295; Hubert Irsigler, Zeichen und bezeichnetes in Jes 7,1-17. (BN 29, 1985), Peter Höffken, Das Buch Jesaja, 1-39. (Stuttgart, Kath. Bibelwerk, 1993), 89-92.

[6] Von Jesaja wird der Immanuel nicht als Messias verstanden, dazu fehlen die messianischen Attribute der Königschaft, des Heilsbringers und der eschatologischen Vollendung. Müller, a.a.O., 39. Ausführlicher Kilian, Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, 15f.

[7] Ulrich Luz, Mt 1 – 7, 5.Aufl., Ulrich Luz, Bd. 1, Das Evangelium nach Matthäus (Zürich: Benziger, 2002), 152.

[8] Schildenberger, Johannes, Die jungfräuliche Mutter Maria im Alten Testament, in: Brosch, Hermann Josef, Jungfrauengeburt gestern und heute, Essen 1969 (=Mariologische Studien; 4), 109-136], 112- 115 sowie HAAG, Herbert, Is 7,14 als alttestamentliche Grundstelle der Lehre von der Virginitatis Mariae, in: Brosch, Hermann Josef (Hrsg.), Jungfrauengeburt, a.a.O., 137-144.

[9] Rudolf Kilian, Jesaja 1-12, Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung (Würzburg, 1986), 62. Siehe auch Joachim Gnilka, Das Matthäusevangelium. Erster Teil: Kommentar zu Kapitel 1,1-13,58, (Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2000), 20f. Kilian genügt abschließend das Besondere der Geburt, welche das Außerordentliche durch die Ankündigung mit „Siehe“ ausdrückt, und schließt allein aus dieser Besonderheit auf eine Jungfrauengeburt. Diese Annahme ist aber, wie er selbst ausführt, nicht notwendig (13f.).

[10] Für die nachexilische Zeit wird darüber spekuliert. Karl S. Frank u.A., Hg., Zum Thema Jungfrauengeburt (Stuttgart: Verl. Katholisches Bibelwerk, 1970), 31.

[11] Ulrich Lutz, Mt 1-7, 107.

[12] A. von der Kooij, Einleitung, in: Karrer; Kraus, SU.EuK II, 2484.

Dabei ist zu beachten, dass nicht erwiesen werden kann, dass der Text so auch schon vor Christus in genau dieser Form vorgelegen hat. (so Fitzmeyer, Conception 46.67) Die Anmerkung von Justin im Übersetzungsstreit, dass damals schon die Übersetzung vor Christus mit Jungfrau war, deutet aber darauf hin.

[13] Michael Theobald, Jungfrau, 50f. Dieser orientiert sich an Rösel, Die jungfrauengeburt des endzeitlichen Immanuel. Jesaja 7 in der Übersetzung der Septuaginta. In JBTh 6 (1991) 135-151. Und an Troxel, Isaiah 7,14-16 trough the Eyes of Septuagint, in EThL 79 (2003) 1-22.

[14] Ebd. a.a.O., 136-144.

[15] Jes 9,12 und Jes 17,3.

[16] Jes 6,10LXX„…damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und umkehren, auf dass ich sie heilen werde.“

[17] Auch der Wechsel von „dein Gott“ (V11) zu „mein Gott“ (V13) der hebräischen Vorlage wird nicht mitgegangen. Damit wurde die Abweichung von Gott ausgedrückt.

[18] Rösel, Jungfrauengeburt, 149f.

[19] Hubertus Irsigler, Der Aufstieg des Immanuel. Jes 7,1-17 und die Rezeption des Immanuelwortes in Jes 7-11, in: ders., Vom Adamssohn zum Immanuel (ATSAT 58) (St. Otilien, 1997), 144.

[20] Michael Theobald, 61f.

[21] Rösel kommt zu diesem Schluss: „Um die erwartete Heilszeit als tatsächlich neue, alles übertreffende Weltzeit kenntlich zu machen, griff man die Vorstellung von der Jungfrauengeburt des Weltaltergottes Aion auf. Damit wurde den von ihrer Umwelt geprägten Lesern die besondere Bedeutung des Immanuel-Kindes als kommende Heilsgestalt schon vor der Beschreibung seiner wunderhaften Fähigkeiten signalisiert und gleichzeitig der Gegenwartsbezug der alten Weissagung betont.“ A.a.O., 150.

[22] Joachim Kügler, Pharao und Christus? Religionsgeschichtliche Untersuchung zur Frage einer Verbindung zwischen altägyptischer Königstheologie und neutestamentlicher Christologie im Lukasevangelium, 221.

[23] So Joachim Kügler, Pharao, 221. Ganz ähnlich Rösel, a.a.O., 150. Dieser sieht aber hier schon mit Verweis auf ägpytische Mythen die jungfräuliche Geburt gedacht, dem widerspricht Kügler.

[24] So Rösels Beobachtungen zu Gen 49,9mit dem hervorgehenden Sproß, Jes 11,1 und Ez 17.

[25] Zu diesem Fazit kommt Kügler, a.a.O., 222.

[26] In Zukunft einfach „Matthäus“ genannt.

[27] Dabei folgen wir Rudolf Pesch, Über das Wunder der Jungfrauengeburt.

[28] Darauf weisen auch die Präsensformen in Mt 12,5ff; 17,24ff; 23,16ff hin. Zur Verfassungszeit siehe Maier, a.a.O., 17f. Oftmals wird auch eine späte Verfassungszeit angenommen, ca.90 n. Chr. 

[29] Vgl. Gerhard Maier, Matthäus, 25-32 und Rudolf Pesch, Über das Wunder der Jungfrauengeburt, 31.

[30] Rudolf Pesch, a.a.O., 45.

[31] Ulrich Lutz, a.a.O., 136.

[32] Hartmut Gese, Hermeneutische Grundsätze der Exegese biblischer Texte, in: Antonius Gunneweg-Hermann Schroer (Hg): Standort und Bedeutung der Hermeneutik in der gegenwärtigen Theologie, (Bonn, 1986) 42-62, 49.

[33] Rudolf Pesch, 86.

[34] 1 QSa 2,11.

[35]  Aryeh Kaplan, All about the Messiah, in: The Handbook of Jewish Thought (Maznaim Publishing, 2.Auflage, 2005).

[36] Luther, Vom Schem Haphorgas, Münchener Lutherausgabe. Zitiert nach Luz a.a.O., 153.

[37] Auch Calvin stritt mit den Juden darüber: „Was ist das für eine Gier zu lügen! […] Aber das sind wahrlich würdige Feinde Christi, die Gott mit dem Geist der Verdrehung und Verstockung betört hat.“ Calvin I, 69.72, zitiert nach Luz, a.a.O., 152.

[38] Ebd. Dialog 71,3.

[39] Irenäus, Contra Haereses III 21,4 und 21,3. Übersetzung nach: Des heiligen Irenäus fünf Bücher gegen die Häresien. Aus dem Griechischen übersetzt von E. Klebba. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 3) München 1912.

[40] Hans-Joachim Schoeps, Das Judenchristentum: Untersuchungen über Gruppenbildungen u. Parteikämpfe in d. frühen Christenheit (Bern, München: Francke, 1964), 82f.

[41] Origenes, c. cels. I 34 und Kyrill von Jerusalem, cat.XII 2.21

[42] „Ihr [Juden] aber wagt es, auch in diesen Punkten die von euren Ältesten beim Ägypterkönig Ptolemäus angefertigte Übersetzung abzuändern und behauptet, die Schrift laute nicht so, wie jene es übersetzt haben, sondern: ‚Siehe’, spricht er, ‚das junge Weib wird empfangen’“, Justin der Märtyrer, Dial 84,3.

[43] Im At wird das Wort almah neunmal gebraucht. In den Psalmen bezeichnet es das Singen in einer höheren Tonart, in Gen 24,43 wird der almah (jungen Frau) noch in Gen 24,16 ergänzt, dass sie betula (Jungfrau) ist. Also kann eine junge Frau almah genannt werden, ohne dass damit ihre Jungfräulichkeit ausgesagt wurde. In Ex 2,8 bezeichnet almah die Schwester Moses im Jugendalter. In Ps 68,26 werden paukenschlagende Frauen mit almah aufgezählt. In Hld 1,3 ist die almah wohl noch jungfräulich, wogegen in Hld 6,8 die unzählbar viele almot in einen Harem kaum jungfräulich waren. In Spr 30,18 ist mit dem „Weg des Mannes bei der alma“ wohl die geschlechtliche Vereinigung und Zugehörigkeit gemeint und bezeichnet damit die junge Frau ohne den Aspekt der Jungfräulichkeit. Damit wird deutlich, dass almah die junge, geschlechtsreife Frau bezeichnet, ohne eine Aussage über ihre Jungfräulichkeit zu machen. Eine Übersetzung als Jungfrau wird dem Terminus almah nicht gerecht. Siehe: Rudolf Kilian, Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, Jes 7,14, in Frank et al., Zum Thema Jungfrauengeburt, 10-12.

[44] In der Septuaginta findet sich dieser Vers in Gen 24,43.

[45] Rico, La Mère de lEnfant-Roi Isaie 7,14, „Almâ“ et „Parthenos“ dans l´univers biblique. Un pint de Vue linguistique (LecDiv 258), Paris 2013.

[46] Das liest sich ungefähr so: „Die parthenos aber war überaus schön im Aussehen, sie war eine parthenos, ein Mann hatte sie nicht erkannt.“  

[47] Rudolf Kilian, Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, a.a.O., 34 und Matthias Weyand, Jesaja 7,14 im neuen Testament. (Tübingen, 1992), 21-23

[48] Ulrich Lutz, Das Evangelium nach Matthäus, Band I, 152.

[49] Dies ist in der Einheitsübersetzung schon seit 1978 üblich. Dort hieß es zuerst, dass „das hebräische Wort almáh […] auch als ‚junge Frau gedeutet“ werden kann, nach der Revision wurde es präzisiert zu: „Das hebräische Wort almah bedeutet eigentlich junge Frau“. Teilweise wird gefordert, dass dies im Haupttext angepasst werden müsste, so beispielsweise auch aus Richtung der feministischen Interessenvertretung: Heimerl, Theresia, Maria war gar keine Jungfrau, in: EMMA vom 06.04.2021, URL: https://www.emma.de/artikel/die-neue-bibel-kommt-333615

[50] Delling, Art. παρθένος, 831.

[51] Delling, a.a.O.

[52] Gerhard Delling, Art. „παρθένος“, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 5, Stuttgart ²1990, 823-834.

[53] Rudolf Kilian, Die Geburt des Immanuel aus der Jungfrau, Jes 7,14, in Frank et al., Zum Thema Jungfrauengeburt, 34.

[54] So Wolfgang Krauss, der die Septuaginta ins Deutsche übersetzt hat. http://www.welt.de/kultur/article3100214/Uebersetzungsfehler-machte-Maria-zur-Jungfrau.html Stand 07.2016.

[55] So zum Beispiel Rösel, Jungfrauengeburt, 146. Zeller weist dies aber zurück, siehe Dieter Zeller, Religionsgeschichtliche Erwägungen zum „Sohn Gottes“ in den Kindheitserzählungen. In: ders, Neues Testament und hellenistische Umwelt (BBB150), Hamburg 2006.

[56] Also eine Erscheinung von Göttern unter Menschen in menschlicher Gestalt.

[57] Joachim Kügler, Pharao und Christus? Religionsgeschichtliche Untersuchung zur Frage einer Verbindung zwischen altägyptischer Königstheologie und neutestamentlicher Christologie im Lukasevangelium (B113), Bodenheim 1997, 218-222.

[58] Hier zum Beispiel Klaus Berger, Kommentar zum Neuen Testament, 16.

[59] Rudolf Kilian spricht sich dafür aus, dass dies ziemlich sicher wäre. Peter Fiedler bestreitet dies, da es keinen Beleg dafür gibt. Siehe Peter Fiedler, Das Matthäus-Evangelium, 52.

[60] Delling, a.a.O.828-831.

[61] Midrasch Bereschit Rabba, 39,11: There were four whose coinage became current in the world: (1) Abraham, as it is said, And I will make of you [a great nation], etc. (Gen. 12.2). And what effigy did his coinage bear? An old man and an old woman on one side, and a youth and a maiden on the other. (2) Joshua, as it is said, so the Lord was with Joshua and his fame was in all the land (Josh. 6.27), which means that his coinage was current in the world. And what was its effigy? A shor on one side and a rem on the other, corresponding to the firstborn of his shor is his majesty; and the horns of a rem are 5   his horns (Deut. 33.17). (3) David, as it is said, And the fame of David went out into all the lands (1 Chron. 14.17), which means that his coinage was current. And what was its effigy? A [shepherd’s] staff and bag on one side, and a tower on the other, corresponding to Your neck is like the tower of David, built with turrets (Song 4.4). (4) Mordecai, as it is said, For Mordecai was great in the king ’s house, and his fame went forth throughout all the provinces (Est. 9.4); this too means that his coinage was current. And what was its effigy? Sackcloth and ashes on one side and a golden crown on the other (Est. 4.1; 8.15). 2a In [the Zodiacal sign of] Taurus was found the merit of Joseph who was called ox, as it says, The firstborn of his shor, majesty is his (Deut. 33.17); and also the merit of the offering, as it says, A bull [shor], or a sheep, or a goat when it is born [shall be seven days with its mother; and from the eighth day on it shall be accepted as an offering made to YHWH by fire (Lev. 22.27)] (Est. R. 7.11).  2b But you exalted my horn like a rem. Just as the horns of the rem are taller than those of all beasts and animals, and it gores to its right and to its left, so with Menahem ben Ammiel ben Joseph, his horns are taller than those of all kings, and he will gore in the future towards the four corners of the heavens. And concerning him Moses said: The firstborn of his shor, majesty is his; and the horns of a rem are his horns. With them he shall gore the peoples, all as one, even to the ends of the earth (Deut. 33.17) (Pirqey de Rabbi Eliezer, 22a).

[62] „Aber die Erstgeburt eines Rindes, eines Schafes oder einer Ziege sollst du nicht auslösen; denn sie sind heilig. Ihr Blut sollst du an den Altar sprengen und ihr Fett sollst du in Rauch aufgehen lassen als Feueropfer für den HERRN zum lieblichen Geruch.“

[63] Rudolf Pesch, Das Wunder der Jungfrauengeburt, a.a.O.,101.

[64] Luz, Mt 1 – 7, 193f. Ebenso Ferdinand Hahn, Christologische Hoheitstitel: Ihre Geschichte im frühen Christentum, 5. Aufl., (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995), 72 f.

[65] Müller wie auch Luz gehen davon aus, dass Matthäus die Tradition der Jungfrauengeburt in seiner Gemeinde schon vorfand, aber die Deutung von Jes 7,14 auf sein exegetisches Konto geht. Damit wahrt Müller die Glaubenswahrheit trotz der sachlich unpassenden Begründung aus der LXX. Müller, a.a.O., 63 und Luz, 85f.

[66] „Matthäus hat nun in hebräischer Weise/Sprache die Worte zusammengestellt, ein jeder aber übersetzte sie, wie er dazu in der Lage war.“ Eusebius, Kirchengeschichte III 39,15.

[67] „So hat Matthäus bei den Hebräern in deren Sprache die schriftliche Darstellung des Evangeliums herausgegeben“ Irenäus, Contra Haereses, III.

[68]Syrus Siniaiticus, in: Agnes Smith Lewis: Some pages of the four Gospels re-transcirbed from the Sinaitic Palimpsest with a translation of the whole text.

https://ia800209.us.archive.org/31/items/somepagesoffourg00lewi/somepagesoffourg00lewi.pdf

Es gibt zwar, wie schon erwähnt, vereinzelte Septuaginta-Versionen, die in Jes 7,14 bei der „jungen Frau“ blieben, und die Ebioniten schrieben wohl Mädchen statt von der Jungfrau. Ein entsprechendes Evangelium ist aber nicht überliefert.

[69] So z.B. beim Zitat in Mt 2,15 aus Hosea 11,1 „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.“ In der Schriftstelle in Hosea 11,1 steht „Sohn“ als Metapher für das Volk Israel und wird daher in der Septuaginta als „Söhne“ übersetzt. Matthäus wechselt hier wieder zur hebräischen Textvorlage, ganz im Gegensatz zu Jes 7,14.

[70] So eben der Streit von Justin und Tryphon, Dialog 71,3: „Alle Schriftstellen nämlich, welche ich (bisher) euch angeführt habe, erkennt ihr an; nur bezüglich des Wortes: ‚Siehe, die Jungfrau wird empfangen’ habt ihr widersprochen und habt behauptet, es heiße: ‚Siehe, das junge Weib wird empfangen. ’ Ich habe versprochen zu beweisen, daß nicht – wie ihr gelernt habt – auf Ezechias [gemeint ist Hiskija, Sohn des Ahas] die Prophetie gesagt ist, sondern auf diesen meinen Christus.“

[71] Ebd., Jungfrauengeburt und Greisinnengeburt.

[72] Die Qumranfunde vom Jubiläenbuch werden auf ca. 125-100 v.Chr. datiert. Da das Buch dort schon als autoritative Schrift angenommen wurde, könnte es schon wesentlich früher entstanden sein. Für eine Datierung ins frühe 2.Jhdt spricht, dass in Kapitel 15 Themen aus dem Makkabäeraufstand 168 v. Chr. aufgegriffen werden.

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