Muss man an die Jungfrauengeburt glauben?

Ohne Jungfrauengeburt gibt es keine Erlösung. Davon sind einige Christen überzeugt. Stimmt das? Muss man an die Jungfrauengeburt glauben?

Was steht auf dem Spiel?

Beim Pokern steigt die Spannung des Spiels mit dem Einsatz, den jeder setzen muss um mitzuspielen. In einer netten Runde kommt da einiges zusammen, das in der Mitte liegt. Wenn man über die Jungfrauengeburt diskutiert, liegt einiges in der Mitte. Als Spieler kann man in dieser Frage gefühlt alles gewinnen – oder alles verlieren.

Es ist erstaunlich, was in diesem Spiel so alles gesetzt wird. Es geht darum, ob Jesus Gottes Sohn war. Ob er göttlich war. Und damit hängt dann zusammen, ob seine Auferstehung uns erlösen kann. Auch die Glaubwürdigkeit der Bibel wird als Big Blind gesetzt. Es darf vermeintlich nur der mitspielen, der an die Bibel als Heilige Schrift gilt. Wer an der Jungfrauengeburt zweifelt, der zweifelt an der Bibel. Damit wird dem ganzen Glauben die Grundlage entzogen – und die Gemeinschaft der Gläubigen hat kein Fundament mehr.

Diese hohen Einsätze lassen das Spiel ziemlich angespannt werden. Bevor wir in das Pokern einsteigen, sollten wir in Ruhe untersuchen, was wirklich auf dem Spiel steht.

Ich habe aus Leserbriefen zu dem Thema Jungfrauengeburt Aussagen von Gläubigen zusammengefasst, die sich gegen eine Kritik an der Jungfrauengeburt wenden. Die Aussagen sind sinngemäß wiedergegeben. Sie erschienen in ChristseinHeute als Reaktion auf einen Artikel von dem freikirchlichen Pastor Sebastian Rink. Darin wurde die Jungfrauengeburt nicht als historisches Ereignis angesehen. Das löste große Empörung in den Gemeinden aus.

Abzuwehrende Ängste

  • Wer die Jungfrauengeburt leugnet, der leugnet Christus.[1]
  • Die Kritik an der Jungfrauengeburt entzieht das gemeinsame Fundament im Bekenntnis.[2]
  • Die Leugnung der Jungfrauengeburt durch Pastoren ist eine Torheit, die in den geistlichen Bankrott führt.[3]
  • Jesus wäre lediglich ein uneheliches Kind von Josef oder einem Dritten.[4]
  • Wenn das Glaubensbekenntnis fällt, sind wir nicht mehr gegen Häresie geschützt.[5]

Theologische Gründe, um an der Jungfrauengeburt festzuhalten

  • Die rationalistische Denkweise ist keine Grenze für Gottes handeln.[6]
  • Die Bibel ist heiliges Wort und ihre Schreiber wurden vom Heiligen Geist durchdrungen.[7]
  • Entweder wir bekennen uns zur Inspiration der ganzen Schrift, oder wir lassen es konsequent bleiben.[8]
  • Man glaubt nicht nur an Christus, sondern auch an alles was geschrieben steht. (Apg 24,14)[9]
  • Die Jungfrauengeburt begründet die Gottessohnschaft Jesu.[10]
  • Die Art der Zeugung Jesu beeinflusst das Wesen des Christus.[11]
  • Die Jungfrauengeburt betont den göttlichen Ursprung Jesu.[12]
  • Die Jungfrauengeburt betont gleichzeitig Gottheit und Menschheit Jesu, wie auch in Phil 2,6-8 und Gal 4,4.[13]
  • Jesus wäre ohne Jungfrauengeburt nicht der Christus.[14]
  • Im Glaubensbekenntnis baut alles andere auf der Jungfrauengeburt auf.[15]
  • Die Erbsünde wird durch die Jungfrauengeburt durchbrochen.[16]
  • Wenn Jesus nur Mensch gewesen wäre, könnte er uns nicht erlösen.[17]
  • Wenn Jesus nur Mensch gewesen wäre, dann wäre seine Lehre nur Religionsphilosophie.[18]
  • Wenn Jesus nur ein Mensch gewesen wäre, dann könnte er nicht nach seinem Tod erhöht werden.[19]
  • Wenn Jesus nur ein Mensch gewesen wäre, dann dürften wir ihn nicht anbeten.[20]
  • Wenn Jesus nur ein Mensch gewesen wäre, dann kann er nicht Mittler zwischen Gott du Mensch sein.[21]

Biblische Argumente für die Glaubwürdigkeit der Jungfrauengeburt

  • Vor seiner Menschwerdung war Jesus präexistent bei Gott und hat an der Erschaffung der Welt mitgewirkt. (Kol 1,15-17; 1Kor 8,6).[22]
  • Die Verheißung des Immanuel erfüllt Jesus, indem er immer bei den Gläubigen bleibt. (Mt 28,28)
  • Auch bei Johannes wir Jesus betont „Sohn Gottes“ genannt.[23]
  • Auch Johannes bezeugt die Fleischwerdung des Wortes, Jesu Christi. (Joh 1,1-5)
  • Jesus ist wesensgleich mit Gott. (Joh 1,1.18)
  • Bei Gott ist kein Ding unmöglich. (Lk 1,37).[24]
  • So wie die Auferstehung gottgewirkt war, war auch die Zeugung gottgewirkt.[25]
  • Ein Wunder muss nicht rational nachvollziehbar sein.[26]
  • Wunder können nicht mit postmoderner Vernunft persönlich beurteilt werden.[27]
  • Die Geburtsgeschichte ist glaubwürdig, denn so etwas hätten die Evangelisten nicht erfunden.[28]
  • Die Evangelisten waren durchaus aufgeklärt und daher haben sie das nicht erfunden.[29]
  • Die Übersetzung von Jes 7,14 in der LXX als Jungfrau hat (göttlich geführt) den eigentlichen Sinn getroffen.[30]
  • Bei jüdischen Gegnern Jesu kursierte die Sichtwiese des Ehebruchs Marias.[31]

Werte, die durch das Wunder offenbart werden

  • Maria gibt sich glaubensvoll dem Heilshandeln Gottes hin.[32]
  • Gott bindet gewöhnliche Menschen in sein Heilshandeln ein.[33]
  • Die Sendung Jesu ist Ausdruck der Liebe Gottes.[34]
  • In Jesus kam Gott selbst zu uns

Warum ist die Jungfrauengeburt für viele Christen so wichtig?

Bevor wir Argumente austauschen können und Fakten sammeln, müssen wir uns bewusst werden, um was es eigentlich geht. Wenn das einmal offen auf dem Tisch liegt, können wir damit arbeiten – erstmal ganz unabhängig davon ob eine Befürchtung berechtigt ist oder nicht. Auf ein paar Argumente möchte ich beispielhaft eingehen. (Warum man sich dann auch noch wirklich darüber streiten kann, wird in diesem Artikel dargestellt.)

Moralische Gründe für die Jungfrauengeburt

Werde moralische Grenzen überschritten, fühlt man sich betrogen und wird in seinem Vertrauen verletzt. Dieses Gefühl kann man auch erleben, wenn die Jungfrauengeburt kritisiert wird. Diese Prozesse können blitzschnell unbewusst ablaufen. Aber warum werden diese Gefühle in manchen von uns ausgelöst?

Sexualität

„Wenn das, was die Evangelisten berichten, nicht stimmte, hätte sich Joseph entweder vorehelich mit Maria eingelassen oder aber das Kind wäre von einem anderen Mann gezeugt worden. Dann aber wäre die Geburtsstunde des christlichen Glaubens im Kern eine verlogene Geschichte.“[35]

Man hätte es ahnen können –es geht um Sex. Eigentlich soll es darum gerade nicht gehen. Bei den theologischen Gründen wird aufgegriffen, warum es für manche Christen wichtig ist, dass Jesus ohne Sexualität entstanden ist. Aber moralisch gesehen gibt es um einen viel schwerwiegenderen Vorwurf: Jesus wäre unehelich gezeugt worden.

Bei konservativen Christen gilt es bis heute nicht nur als moralischer Wert, sondern geradezu als biblisches Gebot, keinen Sex vor der Ehe zu haben. Dabei findet sich ein solches Gebot nicht wörtlich in der Bibel, es wird von der Sexualmoral von Paulus und den Regelungen zu Ehebruch im Alten Testament abgeleitet.

Dass der Erlöser, also der sich offenbarende Gott aus solch einer als unzüchtig verstandenen Situation hervorgeht, ist undenkbar. Betrachtet man die jüdischen Regelungen zur Hochzeit und Eheschließung aber genauer, so stellt das in der Situation von Maria und Josef keinen Gesetzesbruch dar. In der Verlobung hatte die Sexualität lediglich die Konsequenz, dass man auch wirklich heiraten musste. Und da Maria dem Josef schon anvertraut war, ist es „nur“ ein Bruch mit den gesellschaftlichen Erwartungen – nicht aber mit dem Gesetz Gottes. Das würde doch zu Jesus passen, oder?

Vertrauen

Wenn das alles nur symbolisch gemeint ist, wäre die Geburtsgeschichte eine verlogene Geschichte. Es erschüttert unser Vertrauen in die Bibel. Was können wir noch glauben, wenn die Geburtsgeschichte nicht stimmen sollte? (Zur Bibel als Gottes Wort gibt es hier noch einen eigenen Artikel)

Woher bekommen wir dann noch Orientierung, wenn man nicht alles einfach glauben kann, was in der Bibel steht? Diese Frage ist berechtigt. Wir erfahren durch die Bibel viel Orientierung. Aber es besteht immer die Möglichkeit, dass wir etwas falsch verstehen.

In der Bibel selbst finden wir als Garantie für die Wahrheit NICHT den Verkündiger genannt. Im Galaterbrief erklärt Paulus, dass selbst wenn etwas direkt vom Himmel verkündet wird, es dadurch nicht grundsätzlich wahr ist. Nach Römer 8,16 schenkt der Heilige Geist unserem Geist Gewissheit über den Glauben. Letztendlich ist es immer ein Vertrauen auf Gott – und das Wissen darum, dass wir noch nicht alles verstanden haben.

Theologische Gründe für die Jungfrauengeburt

In der Jungfrauengeburt werden einige theologische Gründe in einem Ereignis gebündelt. Daher halten konservative Christen entschieden an ihr fest. Die Befürchtung ist: Ohne die Jungfrauengeburt fallen die tragenden Säulen des Christentums wie Dominosteine ein. Hierzu ein Beispiel:

„Wir dürfen nicht übersehen, dass Lukas und Matthäus die Zeugung durch den Heiligen Geist mit der Gottessohnschaft Jesu in Verbindung bringen. Die Jungfrauengeburt erklärt daher, wie Christus sowohl Gott als auch Mensch sein konnte, weshalb er ohne Sünde war und das ganze Werk der Erlösung Gottes gnädiger Akt ist. Wenn Jesus nicht von einer Jungfrau geboren worden wäre, hätte er nur einen menschlichen Vater gehabt. Da er aber vom Heiligen Geist gezeugt war, konnte der Erlöser sowohl Mensch als auch Gott sein und vollkommene Gerechtigkeit und Sühnung erwirken.“[36]

Mir ist es zu Beginn bei diesem Thema sehr schwer gefallen, diese Punkte einzeln zu betrachten. Erst dadurch werden sie greifbar und man kann darüber nachdenken.

  1. Die Jungfrauengeburt begründet die Gottessohnschaft
  2. Durch die Jungfrauengeburt konnte Jesus Gott und Mensch sein
  3. Die Jungfrauengeburt ermöglicht Jesu Sündlosigkeit
  4. Jesu Sündlosigkeit ermöglicht die Erlösung
  5. Mit einem menschlichen Vater wäre die Sündlosigkeit nicht möglich
  6. Jesu Mensch und Gott-sein ermöglichte die Erlösung

Wenn die Jungfrauengeburt wegfällt, scheint unser ganzer Glaube als Christen wirkungslos zu werden. Wie können andere Christen aber damit leben, dass die Jungfrauengeburt hinterfragt wird? Bei genauer Untersuchung gibt es bei diesen Gründen andere Ursachen, aus denen sie sich herleiten. Das bedeutet, dass die oben genannten Aussagen ihre Kraft behalten könnten, auch wenn die Zeugung von Jesus direkt aus Gott wegfallen würde. Dazu soll in Grundzügen die Argumentation in der Theologie wiedergegeben werden. Im Buch wird das ausführlicher beschrieben.

1. Die Jungfrauengeburt begründet die Gottessohnschaft

Der Titel „Sohn Gottes“ meint keine biologische Sohnschaft.

Es ist ein Ausdruck von innerer Verbindung zu Gott. Schon vor Christus wurde im Judentum fromme Männer als Söhne Gottes bezeichnet und auch die Gläubigen werden so bezeichnet (z.B. Joh 1,12 und Gal 3,24).

2. Durch die Jungfrauengeburt konnte Jesus Gott und Mensch sein

Dies ist bei genauer Betrachtung kein biblisches Argument, sondern ein philosophisches Argument. Es ist in der Bibel nicht theoretisch beschrieben, wie sich die göttliche Natur und die menschliche Natur in einem Menschen zueinander verhalten.

Im hellenistischen Denken steht „menschlich“ im Gegensatz zu „göttlich“, und Gott ist logisch getrennt vom Menschen. Im jüdischen Denken wirkt Gott sein Heil durch die Menschen, so dass man es dann gar nicht unterscheiden kann.

In der Bibel wird bezeugt, dass Jesus Gott und Mensch war, aber als Erklärung nur angeführt, dass der Heilige Geist in Jesus Wohnung nahm. Das bleibt auch ohne Jungfrauengeburt bestehen.

3. Die Jungfrauengeburt ermöglicht Jesu Sündlosigkeit

In diesem Argument wird davon ausgegangen, dass durch die Zeugung von Josef eine Sünde auf Jesus gelegt wurde. Wenn man da länger drüber nachdenkt, ist das nicht haltbar.

4. Jesu Sündlosigkeit ermöglicht die Erlösung

An Jesu Sündlosigkeit wird bei einer Kritik an der Jungfrauengeburt nicht gezweifelt.

5. Mit einem menschlichen Vater wäre die Sündlosigkeit nicht möglich

Hinter diesem Argument verbirgt sich die Erbsündenlehre. Auch das ist kein biblisches Konzept, sondern diese Lehre hat sich aus biblischen Aussagen und Weltanschauung entwickelt. Daher kann man darüber diskutieren. Im Buch wird das ausführlicher behandelt.

6. Jesu Mensch und Gott-sein ermöglichte die Erlösung

Die Erlösung wurde von Gott bewirkt und ist für den Gläubigen eine Tatsache. Das fällt auch nicht weg, wenn die Jungfrauengeburt kritisiert wird. Die Erlösung wurde nicht durch Jesu Geburt bewirkt, sondern an der Auferstehung von Jesus offenbart.

Auf den ersten Blick scheint die Hinterfragung der Jungfrauengeburt wie eine Bedrohung. Aber wenn man etwas Zeit damit verbringt, kann man die Bezüge sortieren. Dadurch können die einzelnen Glaubensaussagen auch tiefer erkannt werden. Anschließend hat man die Freiheit, wirklich über die Jungfrauengeburt nachzudenken.


[1] Andreas Fehler, Pastor FeG Bonn in Christsein Heute 01/17, 44.

[2] Ebd., a.a.O.

[3] Matthias Lohmann, Pastor FeG München-Mitte in Christsein Heute, 01/17, 44.

[4] Harald Herrmann, Christsein heute, 01/17, 44.

[5] Andreas Hildebrandt, Pastor FeG Heidelberg, Christsein heute, 02/17, 45.

[6] Johannes Traichel, Christsein heute 01/17, 45.

[7] Hans Hornisch, Christsein Heute 01/17, 44.

[8] Peter Strauch, FeG Altpräses, Christsein heute 02/17, 44.

[9] Gerd Mankel, Pastor der FeGs Twistetal-Berndorf und Diemelsee-Flechtdorf 01/17.

[10] Wilfrid Haubeck in Christsein Heute, 12/2016, 7.

[11] Johannes Burghoff, Pastor FeG Freising, Christsein heute, 02/17, 46.

[12] Wilfrid Haubeck, a.a.O., 8.

[13] Wilfried Haubeck, a.a.O., 8.

[14] Ralf Kaemper, Geboren von der Jungfrau Maria. Warum die Jungfrauengeburt so wichtig ist. In: Knapp daneben ist auch vorbei. Holzwege post-evangelikalen Glaubens. (Dillenburg, Christliche Verlagsgesellschaft 2019), 156.

[15] Ralf Kaemper, a.a.O., 156.

[16] Ralf Kaemper, a.a.O., 157.

[17] Ralf Kaemper, a.a.O., 157 f.; Hilmar Schultze und Miachel Wiche, Pastoren FeG Worms.

[18] Ralf Kaemper, a.a.O., 157.

[19] Ralf Kaemper, a.a.O., 158.

[20] Ralf Kaemper, a.a.O., 159.

[21] Hilmar Schultze und Miachel Wiche, Pastoren FeG Worms.

[22] Wilfrid Haubeck, a.a.O., 8.

[23] Wilfrid Haubeck, a.a.O., 8.

[24] Andreas Maul, Das Wunder der Geburt von Jesu. In: Christsein heute 12/2016, 15.

[25]Ebd. a.a.O.

[26]Ebd. a.a.O.

[27] Gerd Mankel, Pastor FeGs Twistetal-Berndorf und Diemelsee-Flechtdorf.

[28] Ebd. a.a.O.

[29]Julius Steinberg, Christsein Heute 12/2016.

[30] Andreas Maul, a.a.O.

[31]Hermann Pollmann, Christsein Heute, 02/2017, 46.

[32]Wilfried Haubeck, 8.

[33] Andreas Maul, a.a.O.

[34]Wilfried Haubeck, 8.

[35] https://www.evangelium21.net/media/1758/geboren-von-einer-jungfrau

[36] https://www.evangelium21.net/media/1758/geboren-von-einer-jungfrau

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